Borussia Mönchengladbach "Absurd, über den Europapokal zu reden"

Mönchengladbach · Borussia Mönchengladbach bleibt trotz des Höhenflugs auf Platz zwei der Bundesliga-Tabelle auf dem Boden. Stephan Schippers über Borussias Aufschwung, den nötigen Realismus und den Büchsenwurf.

 Borussia Mönchengladbachs Geschäftsführer Stephan Schippers.

Borussia Mönchengladbachs Geschäftsführer Stephan Schippers.

Foto: Dieter Wiechmann

Borussia hat bisher einen Zuschauerschnitt von 49 400, und das obwohl die großen Gegner noch nicht da waren. Es gibt kaum noch Trikots zu kaufen - macht Erfolg sexy?

Schippers Bei allem Erfolg müssen wir auf dem Boden bleiben. Es ist sehr schön, die Situation erleben zu können, wobei ich damit weniger den zweiten Tabellenplatz als die 17 Punkte, die wir haben, meine. Wir werden weiter von Woche zu Woche die Spiele angehen und werden hart arbeiten, um das so lange wie möglich aufrechterhalten zu können. Aber der Blick auf die Tabelle zeigt auch, wie eng die Bundesliga ist. Darum beschäftigen wir uns auch nicht mit unrealistischen Zielen.

Sie meinen den Europapokal?

Schippers Es ist doch absurd, über solche Dinge zu reden. Nach dem Verlauf der letzten Saison kann es kein realistisches Ziel sein, den Europapokal anzupeilen. Natürlich dürfen unsere Fans träumen, aber wir sind weiterhin erst mal daran interessiert, unsere Mannschaft Schritt für Schritt zu verbessern. Das 2:2 gegen Leverkusen war ärgerlich, weil wir toll gespielt haben, aber wegen des späten Gegentors nicht gewonnen haben. Die Art und Weise, wie wir die 17 Punkte erarbeitet haben, macht uns allen Freude, aber wir dürfen nicht abheben und nachlassen.

Dennoch: Gibt der aktuelle Erfolg Borussia recht, in der Krise der vergangenen Saison alles richtig gemacht zu haben?

Schippers Man macht nie alles richtig. Wir wollten und wollen Kontinuität, aber lassen Sie uns besser in die Zukunft schauen. Lucien Favre ist der richtige Trainer für diesen Verein. Wir wussten, dass er Spieler besser machen und ein Team formen kann, und wir waren davon überzeugt, dass er uns vor dem Abstieg retten kann. Dass es aber so gut läuft zu diesem Zeitpunkt, das war sicher nicht vorhersehbar, für keinen von uns. Es ist schön zu sehen, wie das Team spielt und wie der Trainer es führt.

Aus der Sicht des Geschäftsführers dürfte es sich auch gut anfühlen, dass einige Spieler ihren Marktwert vervielfacht haben...

Schippers Ein erfolgreiches Team ist immer wertvoller, als eines, das nicht gewinnt. Aber ich denke nicht an den Verkaufswert der Spieler. Wir wollen ja ein Team aufbauen. Darum haben wir unsere wichtigen Leistungsträger gehalten. So haben wir ein Team, das im Gros seit zweieinhalb bis drei Jahren so zusammen ist. Das, was heute passiert, ist auch ein Resultat dieser personellen Kontinuität.

Dieses Resultat hat was von den 70ern, nicht nur weil Lucien Favre mit Hennes Weisweiler verglichen wird. Borussia ist Zweiter hinter dem FC Bayern München, wie damals.

Schippers Ich muss gestehen, dass ich am Samstag schon etwas geschmunzelt habe, als ich die Tabelle sah. Wir hinter den Bayern - das sieht toll aus, klar. Aber noch mal: Es ist eine schöne Momentaufnahme. Jeder kann sich die Tabelle ausschneiden und einkleben, aber uns geht es nur um die Punkte. Die Bilanz ist gut. Aber wir haben noch einen langen Weg vor uns, den wir nachhaltig und kontinuierlich gehen wollen. Es ist ein zartes Pflänzchen, das wir haben, das müssen wir hegen und pflegen.

Dennoch der Blick zurück in die 70er: Am 20. Oktober 1971 gab es den Büchsenwurf, wegen dem das grandiose 7:1 gegen Inter Mailand annulliert wurde. Welcher Wert hat die große Geschichte für den Klub?

Schippers Es sind so viele Punkte, die Borussia ausmachen. Dazu gehören natürlich ganz besonders die Ereignisse der 70er Jahre, auch der Büchsenwurf. Allerdings hat mir auch schon so mancher gesagt, dass die Relegation, das 1:0 gegen Bochum, als die Fans wie eine Wand hinter uns standen, und das dramatische 1:1 im zweiten Spiel mit dem Rückstand durch das Eigentor, durchaus an die Mythen der Vergangenheit erinnerte. Borussia ist 111 Jahre jung und ein Traditionsverein par excellence. Und darauf sind wir stolz.

Manch einer leitet daraus die Pflicht ab, oben mitzuspielen.

Schippers Die Tradition macht diesen Verein aus. Wir dürfen uns aber nicht in dem Blick zurück verlieren, sondern müssen nach vorn schauen. Und müssen realistisch auf unseren aktuellen Möglichkeiten aufbauen. Und ich bin sicher, dass unsere Fans das auch so sehen.

Was ist Ihnen die Dose von 1971 wert. Sie steht im Vereinsmuseum von Vitesse Arnheim, weil Schiedsrichter Jef Doprmans sie damals mitgenommen und später seinem Klub vermacht hat.

Schippers Natürlich gehört die Dose eigentlich in unser Museum, das es bald geben wird. Unser Archivar Elmar Kreuels hat sich schon darum gekümmert und mit Vitesse Kontakt aufgenommen. Solche Sachen sind aber nicht mit Geld zu regeln. Wir werden die Sache freundschaftlich angehen und eine Lösung finden.

Interview Karsten Kellermann

(rl)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort