Mönchengladbach Als Krankenschwester in Somalia

Mönchengladbach · Die Bilder von unterernährten und sterbenden Kindern und weinenden Müttern gehen ihr nicht mehr aus dem Kopf. Erst vor wenigen Tagen ist Yasmin Hiller aus dem afrikanischen Krisengebiet zurückgekehrt. Sie würde trotzdem wieder hinreisen – und da helfen, wo die Not am größten ist.

Neben den sterbenden Kindern lagen die noch lebenden. Um die musste Yasmin Hiller sich kümmern. "Deshalb war ich in Somalia, und irgendwie habe ich einfach nur funktioniert und immer weiter gemacht", sagt die Krankenschwester. Drei Wochen hat sie im Banadir- Hospital in Mogadischu gearbeitet, sie hat Schreckliches erlebt, aber auch kurze Momente des Glücks. "Wir hatten viel zu wenig Betten für all die Patienten, die zu uns kamen", sagt die 34-Jährige. "Die Mütter lagen mit ihren Kindern auf dem Fußboden, es wurden von Tag zu Tag mehr." Und viele hatten keine Chance. "Aber manchmal erlebten wir ein Wunder, ein kleiner Patient lebte auf, die Freude war riesig." Die sterbenden Kinder, aber auch das glückliche Strahlen der Mütter – diese Bilder gehen Yasmin Hiller nicht mehr aus dem Kopf. Erst vor wenigen Tagen ist sie aus dem afrikanischen Krisengebiet zurückgekehrt.

1977 in Mönchengladbach geboren, wuchs Yasmin Hiller in Wickrath auf und besuchte das Gymnasium an der Gartenstraße. "Ich wusste schon ganz früh, dass ich ins Ausland gehen und helfen will." Sie schloss sich der Organisation Cap Anamur an. 2005/2006 war sie in Liberia, 2008 in Angola. Als sie die schrecklichen Bilder von der Hungerkatastrophe am Horn von Afrika sah, ahnte sie nicht, dass sie schon bald nach Somalia reisen würde. Dann kam der Anruf von der Hilfsorganisation. "Eigentlich hatte ich für dieses Jahr eine ganz andere Art von Jahresurlaub ins Auge gefasst", sagt sie. Sie änderte ihre Pläne, und das tat auch die Station im städtischen Krankenhaus Köln, wo sie als Krankenschwester arbeitet. Nach ihrer Frühschicht – an einem Dienstag – flog sie nach Afrika.

Im Krankenhaus erwarteten sie nicht nur unterernährte, kranke Kinder, sondern auch eine große Herausforderung. "Es gab keinerlei Strukturen, niemand wusste, welcher Patient bereits behandelt worden war und wer welche Medizin bekommen hatte, es fehlte jegliche Dokumentation darüber", berichtet die Krankenschwester. Mit ihren Kollegen schuf sie ein leicht zu handhabendes System der Patientenerfassung. Eine somalische Schwesternschülerin half bei der Verständigung.

Tagsüber arbeitete Yasmin Hiller auf der Station, wo die unterernährten Kinder behandelt wurden. "Es ist kaum fassbar, wenn ein sechs Monate altes Baby gebracht wird, das kaum zwei Kilogramm wiegt – wie bei uns ein Neugeborenes", sagt sie. Tagsüber arbeitete sie hart, nachts kam sie nicht zur Ruhe. "Wir lebten auf dem Krankenhausgelände und waren durch eine hohe Mauer geschützt." Die konnte nicht verhindern, dass die 34-Jährige die Schüsse und Detonationen in der Stadt hörte. "Ich habe keine Nacht durchgeschlafen", sagt sie.

Jetzt versucht sie, die Bilder zu verarbeiten. "Aber ich hole auch Schlaf nach." Ob sie noch einmal zurückkehrt nach Somalia? "Ich brauche jetzt erst einmal viel Ruhe, aber dann – ja", sagt sie.

(RP)
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