Mönchengladbach "Banker der Armen" beeindruckt Gladbach

Mönchengladbach · Ökonom und Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus sprach am Abend in der ausverkauften Kaiser-Friedrich-Halle. Zuvor hatte er bereits den ganzen Tag an verschiedenen Orten in der Stadt für "Social Business" geworben.

 Begeisterte das Publikum in der Kaiser-Friedrich-Halle: Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus.

Begeisterte das Publikum in der Kaiser-Friedrich-Halle: Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus.

Foto: Hans-peter reichartz, Detlef Ilgner (2)

Der hehre Hintergrund: Mönchengladbach soll deutschlandweiter Vorreiter eines sozialen Unternehmertums werden.

Die Botschaft des kleinen Mannes aus Bangladesch ist simpel. Aber eben auch so radikal anders, dass er immer wieder in verdatterte Gesichter blickt, wenn er sie vorträgt; seit Jahrzehnten, rund um den Globus. Und deswegen wiederholt er sie gebetsmühlenartig, bis die Gedanken seines Gegenübers irgendwann aus den eingefahrenen Schienen springen.

Er spricht seine kleine, große Idee am Morgen im Haus Erholung aus, am Nachmittag in der Diskussion mit einer Schulklasse, am Abend in der Kaiser-Friedrich-Halle. Sie lautet: Wir brauchen eine neue, eine zweite Säule des Wirtschaftssystems, eine, die den Menschen dient — im Gegensatz zur existierenden, der die Menschen dienen.

Eine Ökonomie, die nicht auf persönliches Profitstreben ausgelegt ist, sondern darauf, konkrete Probleme zu lösen — Jugendarbeitslosigkeit etwa, Altersarmut oder Bildungsdefizite. Und die den Einzelnen dazu befähigt, etwas aus seinem Leben zu machen — aufbauend auf Würde, nicht auf Almosen. Für die erfolgreiche Umsetzung dieser Vision, genannt "Social Business", soziales Unternehmertum, hat Muhammad Yunus 2006 den Friedensnobelpreis erhalten. Gestern gastierte er auf Einladung des Initiativkreises Mönchengladbachs in der Stadt, um hier die Saat für das zu säen, was in Bangladesch bereits eine im wahrsten Sinne des Wortes un-denkbare Ernte einbringt.

Der 71-Jährige hat viele Beispiele dafür mitgebracht, wie Social Business in der Praxis funktioniert: mit Mikrokrediten, winzigen Geldsummen. Diese ermöglichen es Frauen in der Dritten Welt, ihre eigene kleine Firma zu gründen oder auch nur eine Ziege zu kaufen — Projekte, die sich meist schnell selber tragen.

Die von ihm gegründete Grameen-Bank habe das pervertierte Banken-System wieder auf die Füße gestellt, sagt Yunus unter donnerndem Applaus in der ausverkauften Kaiser-Friedrich-Halle — "denn Kredit heißt im Wortsinn Vertrauen, und wir vertrauen unseren Kunden". 98 Prozent der Kreditnehmer zahlten die Mikrokredite zurück. Dann erzählt der "Banker der Armen" davon, wie mit Danone ein Joghurt geschaffen wurde, mit dem man die Mangelernährung bei Kindern in den Griff bekommen kann — im Social-Business-Modell, ohne Dividende.

Bereits vormittags berichtet er von günstigen Solaranlagen — eine irrwitzige Idee in einem Land wie Bangladesch, doch auch sie fruchtet: "Ende des Jahres werden eine Million Haushalte damit ausgerüstet sein, Ende 2012 wollen wir bei zwei Millionen liegen." Adidas wiederum hat er dazu bewegt, Schuhe für die Ärmsten der Armen zu entwickeln. Nie zieht Grameen einen Gewinn daraus, Überschüsse werden reinvestiert. "Ein gespendeter Euro wirkt nur einmal — ein Social-Business-Euro immer wieder aufs Neue", vergleicht der Professor landläufige Wohltätigkeit mit sozialem Unternehmertum.

Denn das ist Yunus: ein Unternehmer, kein Traumtänzer. Er glaubt an das statuierte Exempel — nicht an den großen Wurf, sondern an kleine, individuelle Lösungen, die sich kopieren lassen und in ihrer Summe einen Umschwung bewirken. Sein Credo: Jeder Mensch hat das Zeug zum Unternehmer, wenn man ihn nur lässt. Arbeitslosigkeit sei eine Schande für eine zivilisierte Gesellschaft: "Ich will eine Welt, in der wir der Armut ein Museum errichten, weil es sie nicht mehr gibt."

Darum hat er auch ungewöhnliche Unternehmer mitgebracht zum ersten deutschen Social-Business-Forum am Nachmittag, an dem fast 200 Interessierte teilnehmen — vom Studenten zum Vertreter eines börsennotierten Konzerns. Business-Exoten wie Andreas Heinecke, der mit seiner Firma "Dialog im Dunkeln" sehenden Menschen den Alltag von blinden näherbringt und gezielt Behinderte einstellt. Und wie Hans Reitz, den der "Spiegel" mal als "knallharten Gutmenschen" bezeichnete — er leitet das "Grameen Creative Lab", so etwas wie Yunus' deutsche Dependance, und berät Unternehmer, die ins Social Business einsteigen wollen.

Im Laufe des Nachmittags klappen immer mehr Kinnladen erstaunt nach unten. Am Ende stehen erste Ergebnisse: "Die Museum Insel Hombroich will ein Social-Business-Projekt starten, in Düsseldorf soll auch etwas entstehen", freut sich Reitz. NRW-Staatssekretär Günther Horzetzky, der am Abend ein Grußwort sprach, dürfte Folgendes mitgenommen haben: "Wir wollen in den nächsten zwei Jahren mindestens ein Ministerium zu bewegen, sich der Kompetenzbildung zum Social Business anzunehmen, und eine Stadt in NRW zur Social-Business-City machen", so Reitz.

Dass es sich dabei um Gladbach handeln könnte, ist nicht abwegig. Yunus' Worte jedenfalls stießen bei Politik, Unternehmern und Publikum gleichermaßen auf offene Ohren. "Das soziale Unternehmertum hat hier Tradition — siehe Volksverein", sagte OB Norbert Bude. "Ziel ist es, deutschlandweit Vorreiter für Social Business zu werden." Und Eugen Viehof, Schirmherr des Yunus-Besuchs und Vorsitzender von "Clean-up", will nun überlegen, ob und wie die Initiative in ein Social-Business-Projekt umzuwandeln ist — sichtlich beeindruckt von Yunus' demütiger, selbstironischer und sympathischer Art, die dieser auch im abschließenden Gespräch mit NTV-Wirtschaftsexpertin Carola Ferstl an den Tag legte.

Nicht zu vergessen bei all dem ist die Voraussetzung, unter der Yunus überhaupt nach Gladbach kam: Er verzichtete auf ein Honorar und verlangte stattdessen, dass die Einnahmen in Social-Business-Projekte wie das "Waldhaus 12" fließen.

(RP/rl/jco)
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