Mönchengladbach Christian Hochstätter: Die Liebe zu Borussia hält immer

Mönchengladbach · Am Ende haben sie Christian Hochstätter gefeuert. Doch nach 23 Jahren als Fußballer und als Sportdirektor sagt er: "Borussia bleibt mein Verein. Es war eine schöne und erfolgreiche Zeit." Er arbeitet jetzt als Vermögensverwalter und für eine Werbeagentur. Gerade war er mit Geschäftspartnern in Shanghai.

Kürzlich hat ihn in Gladbach ein Radfahrer beim Aussteigen aus dem Auto fast umgefahren. Dann haben die beiden sich erkannt, gelacht und locker miteinander geplaudert. Der Radfahrer hieß Ewald Lienen. Und das letzte berufliche Aufeinandertreffen der beiden, im Jahr 2003, war nicht gerade dazu angetan, ein freundschaftliches Verhältnis miteinander zu pflegen. Lienen wurde als Trainer Borussias entlassen. Und attackierte danach Sportdirektor Christian Hochstätter öffentlich mit dem Vorwurf, er habe ein abgekartetes Spiel betrieben, um Holger Fach als seinen Wunschkandidaten zu bekommen. Hochstätters Kommentar damals: "Es ist nicht meine Art, öffentlich schmutzige Wäsche zu waschen. Es lag aber nicht nur an den vier Niederlagen in Folge, dass wir diese Entscheidung getroffen haben."

Der unbewiesene Vorwurf ist Christian Hochstätter eine Zeitlang nachgelaufen. Vergessen hat er ihn nicht. Doch er kann längst wieder mit Ewald Lienen plaudern, wie auch mit anderen, mit denen er einst wegen seines Jobs im Clinch gelegen hat. "Ich lebe nicht in der Vergangenheit, hänge den Dingen nicht nach. Denn das Leben spielt sich heute ab", sagt er.

Es ist seit zwei Jahren ein anderes Leben geworden. Eines, in dem Fußball nur eine Nebenrolle spielt. Auch wenn Hochstätter von seiner Zeit bei Borussia – es war fast ein Vierteljahrhundert – im neuen Job bei einer Vermögensberatung und einer Werbeagentur profitieren mag. Denn man kennt ihn als guten Fußballer, mit dem die Gladbacher am Bökelberg ihre letzten Erfolge feierten, die von Hochstätter mitgestaltet wurden.

"Howie" ("Den Namen hat mir einst mein Kollege Uwe Rahn verpasst, wieso, weiß ich bis heute nicht"), war beliebt bei den Fans. Auch, als er 1999 über Nacht ins kalte Wasser geworfen wurde und 2001 als Sportdirektor mit dem zur Legende gewordenen Trainer Hans Meyer nach dem Bundesligaabstieg den Wiederaufstieg schaffte.

Der Verein startete 2004 mit dem Umzug ins neue Stadion unter Hochstätters sportlicher Leitung in eine neue Zukunft. Dann aber kam doch wieder Abstiegskampf, folgten auf Meyer und Lienen die Trainer Holger Fach und Dick Advocaat. Als der im April 2005 verärgert die Brocken hinschmiss (nicht wegen des Sportdirektors), war auch Hochstätters Zeit abgelaufen. Die Fans hatten ihn zum Buhmann auserkoren, das Präsidium hielt dem Druck nicht länger stand und holte Peter Pander als Sportdirektor.

"Es tut manchmal weh, wenn die Fans pfeifen und die Medien einen hart kritisieren", sagt Hochstätter. "Natürlich habe ich Fehler gemacht, bin zurecht kritisiert worden. Aber wir sind mit mir als Sportdirektor nicht abgestiegen, haben zweimal das Pokal-Halbfinale erreicht, das Jugendinternat aufgebaut." Und er zieht unter seine 23 Jahre bei Borussia, 17 als Spieler und sechs als Sportdirektor Bilanz: "Ich bin mit meiner Karriere absolut zufrieden. Es war eine schöne, erfolgreiche Zeit. Darum bleibt Borussia mein Verein. Wenn ich Zeit habe, gehe ich zu den Spielen. Nur weil ich mit einzelnen Personen nicht klarkomme, gibt es keine Abkehr. Und ich bin sehr froh, dass es unter Lucien Favre jetzt so gut läuft, wie das keiner voraussehen konnte."

Auch er nicht. Und auch nicht Stefan Effenberg, sein ehemaliger Mannschaftskamerad, an dessen Seite Hochstätter vor einem Jahr bei der Mitgliederversammlung saß, als die "Initiative Borussia" erfolglos den Aufstand gegen das Präsidium probte.

"Stefan hat mich gefragt, ob ich ihm helfen würde. Weil er ein sehr guter Freund ist, habe ich das getan. Nicht aus persönlichen Motiven gegen irgendjemanden." Was ihm nicht jeder in der Führungsetage abgenommen hat. Doch die Liebe zu Borussia hält.

Sie hat auch die zwei Jahre überdauert, die Hochstätter ab Anfang 2007 Sportdirektor beim Bundesligisten Hannover 96 war. Er hat sie nach zwei Jahren von sich aus beendet: "Weil ich bei Präsident Martin Kind nicht mehr das bedingungslose Vertrauen verspürte. In den Weihnachtsferien habe ich mit meiner Frau entschieden, den am Saisonende auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern. Denn ich wollte nicht länger von meiner Familie getrennt leben, sondern hätte sie nach Hannover geholt. Dafür aber brauchte ich Klarheit, auch wegen des weiteren Wegs meiner beiden Kinder. Und die Familie kommt bei mir vor allem anderen."

So endete Christian Hochstätters Zeit als Sportdirektor. Ein Dreivierteljahr war er danach als Spielerberater bei "Stars & Friends" tätig, merkte aber, dass seine Vorstellungen, Fußballprofis zu vermitteln, sich nicht so umsetzen ließen, wie er sich das wünschte. Was muss denn ein guter Berater können? "Er muss sein Netzwerk haben, Spieler und ihre Möglichkeiten einschätzen können, damit sie auf den für sie richtigen Weg gelenkt werden und nicht zum Spielball werden, der dem Umsatz der Agentur dient." Nun hat der 48-Jährige, der sich in den Jobpausen in den Bereichen Sportmanagement und Finanzdienstleistung weitergebildet hat, ein ganz anderes Feld gesucht. Die Arbeit als Partner in einer Düsseldorfer Agentur für Vermögensverwaltung und Unternehmensberatung ("den letzteren Teil überlasse ich anderen") sowie für eine Kölner Werbeagentur macht Spaß und eröffnet neue Perspektiven: "Ich bin zu jung, um nur zu Hause vor der Kiste zu sitzen oder Golf zu spielen. Ich kann noch lernen."

Gerade war Hochstätter mit seinen Partnern zehn Tage in Shanghai, auf Einladung einer großen Automobilfirma. "Wir prüfen jetzt, ob sich daraus ein Geschäft entwickeln kann."

(RP/rl)
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