Gerkerathwinkel Es begann mit einer Holzbank

Gerkerathwinkel · Wo sich bayerische Holzfäller und Arbeiter aus Hamburg schon wohl fühlten: In Gerkerathwinkel gedeiht die Gemeinschaft unter den Nachbarn. Nur: Der Fischweiher ist längst ausgetrocknet, der Brunnen still gelegt.

Die ganze Sache hat sich einfach so entwickelt. "Das kam durch einen Zufall zustande", sagt Martina Heußen. Vor vier Jahren, als die Stadt mitten in Gerkerathwinkel zwei neue Holzbänke und einen Tisch aufstellen ließ. "Da haben wir uns gesagt: Eigentlich müssen wir die Bänke ja auch einweihen", erzählt Martina Heußen.

Also trafen sich ein paar Leute dort in der Vorweihnachtszeit zum Glühweinabend. Davon bekamen nachher die anderen Dörfler Wind und fanden die Idee richtig gut. "Na schön", dachten sich die paar Pioniere. "Dann laden wir im nächsten Jahr eben alle zum Glühweinfest ein." Seitdem gehört das gemütliche Beisammensein am Samstag vor Heiligabend zu den festen Terminen im Gerkerathwinkeler Kalender. Ebenso wie das Sommerfest, das daraufhin vor zwei Jahren ins Leben gerufen wurde.

Vom Allerfeinsten

Woanders mag es ja immer anonymer werden, aber nicht in diesem Dorf. "Nachbarschaftsmäßig ist es hier vom Allerfeinsten", sagt Martina Heußens Mann René. "Hier kennt eigentlich jeder jeden. Die meisten sind per du", erzählt das Ehepaar, das 2004 aus Rheydt nach Gerkerathwinkel gezogen ist. Etwa 45 Familien mit insgesamt rund 100 Mitgliedern leben in dem Straßendorf neben Gerkerath.

"Vor dem Zweiten Weltkrieg waren es elf Familien", sagt Adolf Wilms, ein weiterer Zugezogener. Als Textilarbeiter hätten die meisten Gerkerathwinkeler ihr Geld verdient, Bauernhöfe habe es nicht gegeben. "Mein Großvater ist immer zu Fuß nach Rheydt zur Arbeit marschiert", erinnert sich Paula Riegel. Sie ist in dem Örtchen aufgewachsen, so wie Emmy Hortmanns und Karl Neunkirchen.

"Emmy Hortmanns ist die Oma des Dorfes", sagt Martina Heußen. Die sieben Gerkerathwinkeler Kinder besuchen "Oma Emmy" gerne zum Spielen oder Hausaufgaben machen. Als Emmy, Karl Neunkirchen und Paula Rieger selbst Kinder waren, konnten sie noch das einstige ortseigene Wasserparadies nutzen: Gerkerathwinkel hatte damals einen Fischweiher, auf dem Waldstück in Richtung Gerkerath.

Den "Vösch-Weijer" hat Karl Neunkirchen gerne auf Holzbalken überquert. "Wenn wir im Sommer aus der Schule kamen, haben wir erstmal eine Floßpartie gemacht", erzählt er. Paula Rieger weiß noch, dass sie im Winter auf dem Eis Schlittschuh gelaufen ist. "Aber mit Klompen."

In dem in den 50er Jahren trockengelegten Weiher habe es keine Fische, aber viele Frösche gegeben, sagt sie. Der "Vösch-Wejer" war damals nicht die einzige Wasserstelle im Ort: Dazu gesellten sich viele Flachsgruben im Wald, in denen die Kinder früher geschwommen sind. "Ruete" wurden die Wasseransammlungen genannt, mittlerweile sind auch sie verschwunden.

Eichen und Buchen

Dafür sind die Wälder rings um Gerkerathwinkel noch da. Und die hohen Bäume auf der Grünfläche im Dorfzentrum, gleich gegenüber des alten Brunnens. "Im Krieg haben wir Kinder uns hinter den Eichen und Buchen versteckt, wenn es Fliegerangriffe gab", erzählt Paula Rieger. Noch heute flüchten sich die Dorfkinder ab und zu hinter die dicken Baumstämme. Aber nicht aus Angst, sondern wenn sie verstecken spielen.

(RP)
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