Serie 55 Dinge, die man In Mönchengladbach erlebt haben sollte (29) Mönchengladbach - die Altbier-Hochburg

Mönchengladbach · Die Geschichte des Altbiers ist die Geschichte Gladbachs. Ob Bolten, Hannen oder früher Hensen: Der Ruf der Brauereien der Stadt reicht seit langer Zeit weit über ihre Grenzen hinaus. Doch nicht nur die Großproduktion ist in der Vitusstadt heimisch.

 Michael Stefan Kolonko (l.) führt mit seiner Frau das Brauhaus "Zum Stefanus" in Mennrath. Rechts: Die Abfüllung der Oettinger Brauerei.

Michael Stefan Kolonko (l.) führt mit seiner Frau das Brauhaus "Zum Stefanus" in Mennrath. Rechts: Die Abfüllung der Oettinger Brauerei.

Foto: Andreas Baum / oettinger

Ein Brunnen, aus dessen Tiefe kühler Hopfensaft sprudelt? Nein, nicht in Bayern war dieser Traum eines jeden Bier-Fans Realität, sondern am Niederrhein, genauer: im Mönchengladbacher Stadtteil Neuwerk. Passend zum traditionellen Brunnenfest floss dort einige Jahre Altbier dank aufwendiger Technik im Jakob-Brunnen. Was nach einer typisch jecken Schnapsidee klingt, wird Lokalhistoriker zumindest auf den zweiten Blick nicht wundern: Denn das Bier und die Brauereikunst — das waren schon immer zwei Dinge, die sich in Gladbach und der Region bestens aufgehoben fühlten. Das kleine, gallische Dorf, das jeglichem Widerstand und Trend trotzt, liegt heute nur einen Steinwurf hinter der Stadtgrenze.

 Michael Stefan Kolonko (l.) führt mit seiner Frau das Brauhaus "Zum Stefanus" in Mennrath. Rechts: Die Abfüllung der Oettinger Brauerei.

Michael Stefan Kolonko (l.) führt mit seiner Frau das Brauhaus "Zum Stefanus" in Mennrath. Rechts: Die Abfüllung der Oettinger Brauerei.

Foto: Andreas Baum / oettinger

Als älteste Altbierbrauerei der Welt gilt die Bolten-Brauerei in Korschenbroich. Der Wickrather Michael Hollmann übernahm das Unternehmen, dessen Geschichte im Jahr 1266 beginnt. Fünf Jahre nach der jüngsten Jahrtausendwende und steigerte sich seitdem den Ausstoß von 15 000 auf mehr als 50 000 Hektoliter — in einer Zeit, in der der (Alt-)Bier-Umsatz landesweit stark rückläufig ist. Bolten setzt auf Heimatverbundenheit, unterstützt Vereine und Bruderschaften, beliefert Traditions-Gaststätten und Szene-Kneipen. Die Palette reicht inzwischen vom Klassiker Bolten Alt, über das herbere Bolten Ur-Alt und ein obergäriges Helles ("Landbier") bis hin zu Weizen. Erst jüngst installierte die Brauerei sechs neue Gär- und Lagertanks, um die Nachfrage bedienen zu können und den Expansionskurs beizubehalten.

Uneinholbar auf der Überholspur befand sich ebenfalls viele Jahrzehnte die Neuwerker Hannen-Brauerei, die zeitweilig größte Altbier-Brauerei Deutschlands. Ihre Erfolgsgeschichte begann 1920, als sie von den Vereinigten Willicher Brauereien übernommen wurde und schon bald den Altbiermarkt dominierte. Anfang der 1960er-Jahre zog das Unternehmen von Willich nach Gladbach um. Als eine der ersten deutschen Brauereien wurde die Hannen-Brauerei 1988 von einer ausländischen Brauerei-Gruppe aufgekauft. Produziert wird inzwischen in Krefeld, verwaltet wird die Unternehmenstochter seit 2008 allerdings wieder aus Mönchengladbach. Und auch an der ehemaligen Heimstatt in Neuwerk braut es noch heftig: Bereits 2003 übernahm die bayerische Oettinger Brauerei das Betriebsgrundstück mitsamt Logistik, Technik sowie Mitarbeitern und bedient von dort aus den nordrhein-westfälischen Biermarkt mit Sorten wie Alt- und Weizenbier, Pils und Export.

Nur Helles, Dunkles und Weizen? Michael Stefan Kolonko würde wahrscheinlich schon bald die Langeweile quälen. Seit 1999 führt der gelernte Braumeister gemeinsam mit seiner Frau das Brauhaus "Zum Stefanus" in Mennrath. Neben den Klassikern bereichern die Karte regelmäßig zwei, drei spezielle Festbiere oder aber — zur Weihnachtszeit — schwere Bockbiere. Kolonko liebt es zu experimentieren. Die Zutaten für seine Gerstensaft-Kreationen bezieht er direkt aus den Anbaugebieten in Süddeutschland. Sei es das Edelpils mit dem feinen Aroma von Zitrus und Rosen oder aber das honiggelbe bis bernsteinbraune Landbier mit Malzwürze — selbst die Gaumen erfahrener Bierliebhaber werden im "Stefanus" auf kulinarische Expedition geschickt. Bis nach Köln, Düsseldorf und Aachen belieferte einst die Hensen-Brauerei in Waldhausen Kneipen und Restaurants mit Eigengebrautem. Heute kann in den Hallen des ehemaligen Sudhauses, in denen bis 1975 das vielfach prämierte Gladbacher Hensen-Bier gebraut wurde, zumindest noch gutbürgerlich gespeist werden. Auch das übrigens etwas, was im (Alt-)Bier-Mekka Gladbach schon lange Tradition hat.

(RP/ac)
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