Mönchengladbach Mönchengladbach wird Fahrradstadt

Mönchengladbach · Am Donnerstag geht es los: Für 200 Tage bildet sich eine Velo-Allianz. Die Gladbacher sollen aufs Rad steigen, fordern die Kreativen Norbert Krause, Hannah von Dahlen und Johannes Jansen. Ein blaues Logo zeigt: Ich bin ein Umsteiger.

 Helfen sie der Dame aufs Rad? Oder schubsen sie sie runter? Von links: Norbert Krause, Hannah von Dahlen und Johannes Jansen. Sie wollen mit vielen Mitstreitern Mönchengladbach für 200 Tage zur Fahrradstadt machen.

Helfen sie der Dame aufs Rad? Oder schubsen sie sie runter? Von links: Norbert Krause, Hannah von Dahlen und Johannes Jansen. Sie wollen mit vielen Mitstreitern Mönchengladbach für 200 Tage zur Fahrradstadt machen.

Foto: Baum, Andreas

Die Radwege in der Stadt sind in einem katastrophalen Zustand. Einen Radverkehrsplan gibt es, trotz aller Beteuerungen von städtischen Planern und Politikern, nach vielen Jahren Reden und Fordern immer noch nicht. Und als der Allgemeine Deutscher Fahrrad-Club (ADFC) Mönchengladbach jüngst für seinen Fahrradklima-Test 2012 begutachtete, stellte er ein vernichtendes Zeugnis aus: Unter 38 Großstädten mit mehr als 200 000 Einwohnern landete die Vitusstadt auf Platz 36. Bei Fußballern ein Abstiegsrang. Dass Mönchengladbach dieser Absturz erspart bleibt, hängt mehr damit zusammen, dass es keine Liga mehr unter "Schlecht" gibt. Radfahrer-Tristesse in Mönchengladbach?

"Nein", sagt der Aktionskünstler Norbert Krause. Gemeinsam mit Johannes Jansen (Freimeister) und Gestalterin Hannah von Dahlen (MG anders sehen) rücken sie das Fahrrad ins Blickfeld. "200 Tage Fahrradstadt" heißt ihre Aktion, die vor allem Dingen eines zeigt: Es geht auch anders. Völlig anders. Statt ständig zu lamentieren, zu jammern und über schlechte Noten zu klagen, haben sie sich die Frage "Was war zuerst da — das Huhn oder das Ei?" für sich beantwortet. Es ist das Ei — und das ist in diesem Fall für sie: der Radfahrer.

Und da die jungen Kreativen das Thema auch ganz anders angehen, planen sie ihr Projekt auch so: Denn sie wollen die Situation des Fahrradfahrers in der Gladbacher City nicht von oben nach unten, sondern von unten nach oben verbessern. Konkret heißt das: Nicht der Politiker ist wichtig, der über einen Radweg oder ein Radwegekonzept beschließt. Und auch nicht die städtischen Planer, die das dann umzusetzen haben. Sondern die Bürger, die sich als Radfahrer solidarisieren und das machen, was Freude verspricht: nämlich Rad fahren. Klingt kompliziert, ist aber im Prinzip doch ganz einfach. Denn wer nicht pausenlos die Forderung erhebt, erst müsse die Fahrrad-Infrastruktur verbessert werden, ehe er sich aufs Rad schwingen kann, wird im umgekehrten Sinne behaupten: Wenn ich als Radfahrer die vorhandene Infrastruktur nutze, dann verbessere ich auch den Umgang mit ihr. Und letzten Endes wird dadurch auch die Fahrrad-Infrastruktur besser.

Das hat an manchen Stellen etwas Anarchistisches. Etwa, wenn die Organisatoren zu einem "Rundradeln" aufrufen. Denn das wird von dem Gedanken bestimmt, dass 16 Radfahrer, die im Verbund fahren, auch das Recht haben, Straßenraum anders zu nutzen — und nebeneinander auf der Fahrbahn radeln können. "Das wirkt jetzt vielleicht so, als würde das eine Protestaktion sein. Das empfinden wir gar nicht so. Aber wir wollen zeigen, dass der Raum allen gehört — nicht nur den Autofahrern", sagt Krause. In anderen Städten haben derartige Aktionen einen nachhaltigen Erfolg gehabt: Vor allem auch auf das, was Planer und Politiker dann im Sinne einer besseren "Fahrradkultur" umsetzen. Bei dieser Aktion bleibt es nicht. Es gibt Fahrrad-Frühjahrsputz mit kleineren Reparatur-Dienstleistungen, Foto-Dokumentationen mit dem eigenen Radfahrer-Foto bei "MG anders sehen" im Netz und auch Kurioses wie ein Tandem-Speed-Dating.

Diese Velo-Wir-Allianz und das sich daraus ergebene neue Radfahrer-Wohlgefühl sollen am Ende auch der Stadt bei ihrer Suche helfen, endlich zu einem Radwegekonzept zu finden: Zum Abschluss der 200 Tage am 22. September soll eine kleine Broschüre erscheinen, die den Einstieg in den Mönchengladbacher Fahrrad-Dschungel erleichtert, deutlich macht, wo die guten Strecken in der Stadt sind, wo man am besten von A nach B kommt, wie man sinnvoller einen Berg umfahren kann oder wie man am besten die verkehrsreiche und Auto-dominierte Bismarckstraße umradeln kann. Freimeister Johannes Jansen: "Das sind alles Themen, die der geübte Gladbach-Radler beantworten und damit einem Fahrradnovizen den Umstieg erleichtern kann."

Damit die Projekt-Teilnehmer sich solidarisieren und identifizieren können, gibt es auch Plaketten mit dem 200-Tage-Fahrradstadt-Logo: Sie werden beim Auftakt der Aktion morgen an drei Standorten im Stadtgebiet ausgegeben: Café van Dooren am Schillerplatz, Kaiserstraße 132; Restaurant Efesus an der Hauptstraße 126 in Rheydt; Fahrradstation am Rheydter Bahnhof. Über eine anschließende Registrierung auf der Homepage werden die Gladbacher Radfahrer über die geplanten Aktionen auf dem Laufenden gehalten. Es gibt aber auch noch regelmäßige Treffen, bei denen neue Aktionen erdacht und deren Umsetzung geplant werden.

(RP)
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