Mönchengladbach Politiker müssen Türöffner sein

Mönchengladbach · Interview mit dem Vorsteher des Bezirks Nord, Reinhold Schiffers (SPD), über neue Akzente für die Gladbacher Innenstadt und die Bedeutung von "geheimen Orten". Schiffers lobt die Dynamik, die sich in Eicken und in der Altstadt durch junge Kreative entwickelt hat.

 Reinhold Schiffers, Vorsteher des Stadtbezirks Nord (MG-Stadtmitte und Hardt), sagt über die Salafisten in Eicken: "Man darf das Gefährdungspotenzial insbesondere für junge Menschen nicht verharmlosen."

Reinhold Schiffers, Vorsteher des Stadtbezirks Nord (MG-Stadtmitte und Hardt), sagt über die Salafisten in Eicken: "Man darf das Gefährdungspotenzial insbesondere für junge Menschen nicht verharmlosen."

Foto: Isabella Raupold

Herr Schiffers, der Arcaden-Bau beginnt — so der derzeitige Stand — mit einer halbjährigen Verzögerung: Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung?

Schiffers Die Arcaden werden für Mönchengladbach und die Umgebung neue Impulse setzen. Es wurde lange für sie gekämpft, da spielt ein halbes Jahr keine Rolle. Diese Verzögerung ist der Rechtssicherheit des Verfahrens geschuldet.

Was bedeuten die "Mönchengladbach Arcaden" für Mönchengladbach und besonders für die Innenstadt?

Schiffers Sie werden die Innenstadt aufwerten. Allerdings hat die Hindenburgstraße schon jetzt ein deutlich besseres Image verdient, als in den Köpfen verankert ist. Gehen Sie dort doch mal um 10 oder 11 Uhr vormittags entlang und schauen Sie, was da los ist.

Welche Erwartungen haben Sie hinsichtlich der Einzelhandelsstruktur für die Hindenburgstraße?

Schiffers Das ist natürlich schwierig zu sagen. Zum Beispiel hätte ich persönlich gerne ein Geschäft, in dem ich Fliegen für meine Anzüge kaufen könnte (lacht). Aber zwischen Attraktivität und Wirtschaftlichkeit muss man natürlich immer die richtige Balance finden. Ich würde mir wünschen, dass auch Nischengeschäfte in die Arcaden ziehen. In den Nebenstraßen funktioniert das ja schon wunderbar. Schauen Sie auf die Wallstraße oder die Albertusstraße. Aber das ist dann eine Frage des richtigen Marketings.

Inwiefern?

Schiffers Wer findet denn als Stadtfremder schon diese "geheimen Orte"? Man müsste beispielsweise einen speziellen Stadtplan entwerfen. Sicherlich muss man die Ankommenden am Hauptbahnhof mit viel mehr Informationen über die Stadt versorgen. In diesen Punkten müssen wir viel besser werden.

Sie sprechen von einer Verzahnung von Massenpublikum und Zielpublikum?

Schiffers Ich glaube eher, dass wir das Massenpublikum darauf aufmerksam machen müssen, was links und rechts der Hindenburgstraße noch zu finden ist. Hier fehlt — wie noch in einigen Bereichen — die kreative Vernetzung. Schauen Sie sich Eicken an. Früher haben sich viele Anwohner und Geschäftsleute dort beschwert. Inzwischen wohnt in Eicken eine hochkreative Szene. Man muss Menschen nur zusammenbringen, dann passiert sehr viel Gutes. Manchmal kommt mir das Citymanagement aber wie ein Tanker vor. Man muss immer mit sehr vielen Leuten reden, bevor sich etwas bewegt.

Die Vielzahl der Busse auf der Hindenburgstraße ist ein Ärgernis: Wie stellen Sie sich ein verändertes Verkehrskonzept für Mönchengladbachs wichtigste Einkaufsstraße vor?

Schiffers Wir brauchen jedenfalls eine gründliche Neuplanung des Busnetzes. Es hat sich ja in den letzten Jahrzehnten naturwüchsig, organisch entwickelt. Man muss mit einem strukturellen Blick da mal darauf schauen. Wahrscheinlich stellt man dann fest, dass nicht alle Linien über die Hindenburgstraße geführt werden müssen.

Das Citymanagement bastelt an einer Cable-Car-Lösung: Was sagen Sie dazu?

Schiffers Ich halte das für eine gute Idee. Da tut sich auch sehr viel im technischen Bereich. Die Unternehmen, die solche Transportmittel anbieten, suchen gerade nach neuen Geschäftsfeldern. Aber natürlich muss man auch aufpassen. Ich fände es zum Beispiel furchtbar, wenn auf der Hindenburgstraße alle 50 Meter Stelzen stehen würden.

Im Herbst nächsten Jahres soll der Wettbewerb für die Gestaltung des Platzes am Sonnenhaus beginnen. Wie wichtig ist dieser Platz für die Innenstadt? Und wie sollte er gestaltet werden?

Schiffers Der Platz vor dem Theater war schon immer ein Treffpunkt, ein Ort zum Kommunizieren. Wir müssen vor den Arkaden einen attraktiven Platz haben, sozusagen als Anker. Sonst stehen die Arkaden einfach in der Flucht. Die Situation ist auch sehr günstig: Das Sonnenhaus hat klare Strukturen, und der Anschluss an den Hans-Jonas-Park bietet eine tolle Optik. Auf jeden Fall muss auf den Platz ein Café, so dass die Leute auch draußen sitzen können. Aber gerade dafür ist der Wettbewerb wichtig: Wir müssen Ideen sammeln.

Wie erklären Sie sich den enormen Zuwachs der kreativen Szene in der Stadt?

Schiffers Ich denke, es hat in der Politik ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Früher herrschte eine Art Patronagehaltung vor, nach dem Motto: Wir von der Politik wissen, was für euch das Beste ist. Stattdessen sehen wir uns heute eher als Türöffner. Wir müssen den Menschen Raum lassen, ihnen helfen, Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Zum Beispiel wenn ein Lokal seine Tische auf die Straße stellen will.

Erfordert das nicht einen anderen Typ Politiker — einen, wie Sie ihn verkörpern?

Schiffers Man muss als Politiker eine gewisse Autonomie und Selbstständigkeit im Handeln haben. Ich war nie — auch nicht gegenüber meiner Partei — existenziell eingebunden. Ich habe keinen wirtschaftlichen Vorteil von den Entscheidungen, die ich treffe. Der Demokratisierungsprozess wird sich ebenfalls immer weiter entwickeln — auch in den Köpfen der Menschen.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung beispielsweise des Schillerplatzes und der Altstadt?

Schiffers Die Dynamik in der Altstadt ist beeindruckend. In zehn Jahren, da bin ich mir sicher, wird man sie nicht wiedererkennen. Politiker, Anwohner und Investoren ziehen an einem Strang. Auch der Schillerplatz kommt. Er ist jetzt schon sehr lebendig. Wichtig ist, dass die Leute begreifen, dass man nicht viel Geld in die Hand nehmen muss, um etwas zu ändern. Manchmal reicht schon die Bank, die neu angemalt wird. Und plötzlich geschieht etwas.

Ein Islamzentrum in Eicken scheint abgewendet. Ist die Ruhe jetzt nicht trügerisch — denn die Salafisten sind ja nicht verschwunden?

Schiffers Nein, das sind sie nicht. Sie werden auch hier bleiben. Man darf das Gefährdungspotenzial insbesondere für junge Menschen nicht verharmlosen. Allerdings muss man auch immer die einzelnen Menschen sehen. Es hatte sich in Eicken eine ungute Dynamik entwickelt, die sich sehr viel aus Ängsten gespeist hatte. Man darf aber in solchen Diskussionen nie selbst fundamentalistisch werden. Die öffentliche Debatte ist richtig — aber ich verbiete ja auch nicht die Fanclubs der Borussia, nur weil es Hooligans gibt.

Es gibt mehrere Interessenten für neue Hotels in der Gladbacher Innenstadt. Allerdings ist die Belegungsquote bei den bestehenden Hotels nicht gerade herausragend. Kann Gladbach-City weitere Hotels vertragen?

Schiffers Ich bin kein Experte in Wirtschaftsfragen. Aber ich denke, dass neue Hotels auch neue Impulse setzen werden. Die bereits bestehenden Hotels werden ihr qualitatives Angebot überdenken müssen. Ich halte das nicht für schlecht.

In Gladbach hat zum Schuljahresbeginn die sechste Gesamtschule eröffnet. Sie haben immer dafür gekämpft. Ist damit die Nachfrage nach Gesamtschulplätzen abgedeckt?

Schiffers Was uns immer noch fehlt, sind genügend Plätze in integrierten Schulformen. Wir brauchen nicht die siebte oder achte Gesamtschule, sondern mehr Angebote, die verknüpft sind mit der Oberstufe und in denen Kinder länger gemeinsam lernen können.

In welchen Bereichen — auch in politischen — werden Sie sich in Zukunft engagieren? Wollen Sie in den Rat?

Schiffers Ich bin 60 Jahre alt. Bis 65 werde ich arbeiten. Ich bin allerdings niemand, der den beruflichen Freiraum dann unbedingt mit politischer Tätigkeit wieder auffüllen muss. Nein, über eine Ratstätigkeit denke ich noch nicht nach. Aber Sie wissen ja, das Leben ist vielfältig und bunt.

Wie gut funktioniert Ihrer Meinung nach das Ampel-Bündnis?

Schiffers Es ist anstrengend, aber produktiv. Menschen mit unterschiedlicher Tradition und Geschichte sind aufeinandergeprallt. Leider hat im Vorfeld nie eine Klärung von "Altlasten" stattgefunden. Das halte ich aber für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit für wichtig. Es ist nicht schlecht, dass um jede Entscheidung gerungen werden muss. Satte Mehrheiten oder zwei dicke Partner tendieren immer zu jenen Patronagestrukturen, von denen ich gesprochen habe. Daher: Im Ringen um Themen und Entscheidungen wird vieles besser.

Gabi Peters, Fabian Eickstädt und Dieter Weber führten das Interview

(RP/jul)
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