Mönchengladbach Prozess gegen "Preußen-Marschall"

Mönchengladbach · Er soll Finanzbeamten mit Enthauptung gedroht, den Holocaust geleugnet und standrechtliches Erschießen von Verwaltungsmitarbeitern gefordert haben. Unter anderem wegen Volksverhetzung steht ein 53-Jähriger nun vor Gericht. Gestern plauderte er freimütig über seine "Wahnstörung".

 Üble Nachrede, unflätigste Beleidigungen, Leugnen des Holocausts: Unter anderem auf mehreren von ihm betriebenen Internetseiten trieb der Angeklagte sein Unwesen.

Üble Nachrede, unflätigste Beleidigungen, Leugnen des Holocausts: Unter anderem auf mehreren von ihm betriebenen Internetseiten trieb der Angeklagte sein Unwesen.

Foto: Marianna Deinyan

Aus Siegburg stammt er, der Angeklagte, der sich seit gestern vor dem Amtsgericht verantworten muss. Das liegt für ihn allerdings nicht im Rhein-Sieg-Kreis, sondern in der Rheinprovinz des Staates Preußen – im Deutschen Reich also. "Ich bin kein Personal der Bundesrepublik, sondern preußischer Staatsangehöriger", deutete der 53-Jährige schon bei der Angabe seiner Personalien an, warum er vor Gericht steht – unter anderem wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Bedrohung nämlich. Leugnung des Holocausts, massive Gewaltandrohung gegen Verwaltungsmitarbeiter und Finanzbeamten – etwa in Form von Enthaupten und standrechtlichem Erschießen – und wiederholte Nazi-Tiraden werden ihm beispielsweise vorgeworfen.

"Man hat mich aus Berlin entführt"

Aus der "Reichshauptstadt Berlin", wo ihn Zielfahnder des Landeskriminalamts Mitte April in einem Hostel festnahmen, habe man ihn "entführt", sagte der Mann, der als Vornamen den Namen des Schweizer Einsiedlers und Asketen Niklaus von Flüe angibt. Die Spreemetropole, der er auch mit seinem T-Shirt huldigte, entspreche seinen politischen Zielen sehr, deswegen wolle er sich dort künftig niederlassen. Seine Schulden und finanzielle Forderungen Dritter existierten für ihn hingegen nicht, da "der Euro nicht die Währung des deutschen Volkes" sei. Stattdessen stellte der überaus eloquente Beschuldigte wiederholt die sozialstaatlichen Meriten der DDR, die "jüdische Weltverschwörung" und seinen erfüllenden "Beruf" als Rentner in den Mittelpunkt seines Vortrags.

Freimütig plauderte der selbst ernannte "Generalfeldmarschall des Staates Preußen" aus seiner Biografie. Das Studium der Chemie und der Philosophie brach er ab, später absolvierte er eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Er war als Außendienstler für die AOK und die Innungskrankenkasse NRW tätig, zwischenzeitlich auch bei einem Investmenthaus an der Düsseldorfer Königsallee. 2001 zog er von Siegburg mit seiner damaligen Lebensgefährtin nach Mönchengladbach. Vier Jahre später folgte die Trennung – der große Bruch in seinem Leben, wie der 53-Jährige zugab. "Damals war ich in einer überreizten Verfassung, habe mich persönlich zu tief in politische Dinge verstrickt." In den Folgejahren verfiel er immer mehr in etwas, das mittlerweile als "anhaltende Wahnstörung" diagnostiziert worden sei – "aber nicht als krankhaft oder gar gemeingefährlich".

Der heute 53-Jährige betrieb Internetseiten, auf denen er unter anderem das Konterfei Adolf Hitlers in SA-Uniform mit der Hakenkreuz-Armbinde gezeigt haben soll. Er griff den Zentralrat der Juden verbal an, soll dazu aufgerufen haben, das "schwule Westerwelle-Pack aus dem Reich zu vertreiben", warf Mitarbeitern des Bundesverwaltungsamtes Hochverrat und Spionage vor. Er wurde mit preußischen Flaggen und Nummernschildern erwischt, veranstaltete obskure Demonstrationen, bedrohte Verwaltungsmitarbeiter aufs Übelste. Als man ihm im Oktober 2010 schließlich das Handwerk legte und er 30 Tage in Haft verbrachte, trat er in den Hungerstreik.

Er habe mittlerweile erkannt, dass sein damaliges Verhalten auf Mitmenschen "furchteinflößend" gewirkt habe, daher werde er sich künftig bessern. Er strebe ein anspruchsloses Leben in Hostels an, wolle sich der Aufgabe widmen, dass endlich eine rechtsgültige Verfassung und ein Friedensvertrag zwischen Deutschland und seinen Kriegsgegnern zustandekommen. Der Prozess wird am 21. Juni mit Zeugenaussagen fortgesetzt. Angesetzt sind insgesamt fünf Termine.

(RP)
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