Mönchengladbach Rennbahn ungeeignet für Gewerbe

Mönchengladbach · Werner Pietsch, Vorsitzender des Vereins zur Förderung des Rheinischen Rennsports, erklärt, wieso sich die Trabrennbahn nicht für ein Gewerbegebiet eignet, wie es ihr finanziell geht und welche Zukunft der Trabrennsport in Mönchengladbach hat.

Herr Pietsch, das geplante Gewerbegebiet auf dem Gelände der Trabrennbahn ist ein Prestigeprojekt der Ampelkoalition. Die Stadt hat ein Planungsbüro beauftragt, einen Bebauungsplan für das Gelände vorzubereiten. Noch werden diverse Gutachten erstellt. Mit welchem Ergebnis rechnen Sie?

Pietsch Der Technische Beigeordnete der Stadt, Andreas Wurff, hat ja einen Sachstandsbericht abgegeben. Es gibt einen ganzen Katalog, der abgearbeitet werden muss. Unter anderem müssen ein Verkehrsgutachten, ein Lärmschutzgutachten und ein ökologisches Gutachten erstellt werden. Der Boden muss auf Altlasten untersucht werden. All diese Dinge brauchen sicherlich noch sehr viel Zeit. Vor dem Jahr 2015 ist noch überhaupt kein Ergebnis zu erwarten.

Glauben Sie denn, ein solches Gewerbegebiet wäre sinnvoll?

Pietsch Nein, das glaube ich nicht. Schauen Sie doch auch einmal auf die Kosten. Der Entwickler muss als Gegenleistung rund 60 000 Quadratmeter in der Stadt aufforsten oder 792 000 Euro zahlen. Für die Gutachten sind 460 000 Euro eingestellt. Für die Kanalisation beziehungsweise die Entwässerung hat die Ampel-Koalition jetzt noch einmal zwei Millionen Euro veranschlagt. Damit ist der ökologische Ausgleich noch nicht bezahlt und auch die Altlasten, Gebäude und Aufschüttungen auf dem Grundstück nicht beseitigt.

Sie klingen sehr skeptisch...

Pietsch Ja, ich bin äußerst skeptisch. Zwar ist die Verkehrsanbindung gut. Aber das Grundstück ist absolut nicht geeignet. Viele unserer Mitglieder und ebenfalls die Bürger von Neuwerk haben größte Ängste, dass weitere Flächenversiegelungen in diesem neuralgischen Bereich negative Auswirkungen auf den Ortsteil haben werden. Insbesondere aufgrund des Grundwassers.

Wie lange gibt es noch Trabrennsport in Mönchengladbach? Ihre optimistischste und pessimistischste Einschätzung?

Pietsch Wir haben einen Pachtvertrag, der ist jeweils kündbar bis sechs Monate vor Quartalsende. Das wäre die kürzeste Laufzeit. Die längste Laufzeit wäre: Die Gutachten sagen aus, dass es keinen Sinn macht, ein Gewerbegebiet zu realisieren.

Wenn das Gewerbegebiet käme, wäre das das endgültige Aus für den Trabrennsport in Mönchengladbach? Oder gäbe es Ausweichmöglichkeiten?

Pietsch Nein, das wäre sicherlich das endgültige Aus. Es ist sehr schade, dass man dieses Ziel des Gewerbegebiets daher mit einer solchen Vehemenz verfolgt. Es ist absolut konträr zu der Aussage, dass Mönchengladbach eine Sportstadt ist.

Warum ist die Trabrennbahn auch im gesamtstädtischen Kontext eine wichtige Institution?

Pietsch Es gibt sie seit 1893. Sie ist damit die älteste noch existierende Trabrennbahn in Deutschland. Sie blickt auf eine lange Geschichte zurück.

Die Wettlandschaft hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Pietsch Das Internet ist eine große Chance für den Trabrennsport. Andererseits gab es früher zum Beispiel die Fußballwetten nicht. Sie sind simpler und dadurch für viele Wetter attraktiver als die Pferdewette. Auch kommen nicht mehr so viele Leute an den Renntagen zur Trabrennbahn. Warum weit fahren, wenn ich auch von zu Hause wetten kann und das Rennen live im Internet sehen kann?

Sehen Sie auch Fehler bei den Verantwortlichen des Trabrennsports?

Pietsch Ja, man dachte immer, Pferdewetten seien ein Selbstläufer, da es keine Konkurrenz gab. Das war ein Irrtum. Man hat erst spät reagiert.

Früher waren die Gewinnchancen bei keiner Wettart so hoch wie beim Pferdesport. Hat sich dies durch das Internet verändert?

Pietsch Nein. Wir schütten 70 Prozent der Wetteinnahmen wieder aus. Beim Lotto und bei anderen Sportwetten liegt der Prozentsatz zwischen 50 und 60.

Vor zehn bis 20 Jahren lief der Trabrennsport noch in der Sportschau. Heute nicht mehr. Womit erklären Sie sich diesen Bedeutungsverlust?

Pietsch Da müssen sie ARD, ZDF oder die anderen Sender fragen. Natürlich stürzen die Sender sich auf das, was gerade angesagt ist. Beim Tennis haben wir ja eine ähnliche Entwicklung. Seit wir keine Stars mehr haben, ist die Berichterstattung rapide zurückgegangen. Dafür steht der Fußball im Mittelpunkt.

Skizzieren Sie kurz einen normalen Renntag: Wie viele Leute kommen im Durchschnitt, wie viel Geld wird umgesetzt?

Pietsch Zu den Hochzeiten Anfang der 90er Jahre hatte die Trabrennbahn einen Jahresumsatz von 18 Millionen Euro an ungefähr 60 Renntagen. Heute liegen wir bei 22 Veranstaltungen im Jahr. Das liegt insbesondere daran, dass der Pferdebestand stark zurückgegangen ist. Jährlich kommen wir ungefähr auf 1,6 Millionen Euro Umsatz. Die Vergleichsmarke ist allerdings Umsatz pro Rennen. Da lagen wir früher bei 16 000 Euro, im Vorjahr lagen wir im Schnitt bei 7800 Euro. Wir haben damit knapp die 8000 Euro verfehlt, die wir brauchen, um eine schwarze Null zu schreiben. Im Schnitt liegen wir heute bei 1200 Besuchern pro Rennen.

Es existiert also eine Lücke von 400 Euro pro Rennen?

Pietsch Ja, aber wir finanzieren uns ja nicht nur durch die Umsätze. Wir bekommen auch vom Land Nordrhein-Westfalen Unterstützung. Da sind wir sogenannter Destinatär des Spiels 77. Eine Million Euro erhalten dadurch pro Jahr die Trab- und Galopprennvereine in Nordrhein-Westfalen.

Zudem zahlen Sie keine Pacht an die Stadt...

Pietsch Das ist nicht ganz korrekt. Wir zahlen symbolisch einen Euro. Hinzukommen die Betriebskosten, wie Versicherungen und Grundsteuer. Und man muss wissen: Bis zur Insolvenz des alten Vereins hat der Rennverein Teilflächen untervermietet an den Trödelmarktbetreiber. Nun verpachtet die Stadt Mönchengladbach diese Flächen an den Trödelmarktbetreiber. Das sind jährlich 96 000 Euro — Gelder, die früher der Rennverein bekam und auf die wir heute verzichten.

Warum sollte jemand, der noch nie auf einer Trabrennbahn war, bei Ihnen einmal vorbeischauen?

Pietsch Es ist die schönste Sportart überhaupt. Man kann bei uns Mensch und Tier in Harmonie sehen. Darüber hinaus kann man mit kleinem Geld wetten und hat die Chance auf einen riesengroßen Gewinn. Übrigens hat auf der Rennbahn noch nie einer Geld verloren. Es ist im schlimmsten Fall nur in der Tasche eines anderen (lacht).

Jan Schnettler, O. E. Schütz und Fabian Eickstädt führten das Gespräch.

(fae)
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