Gatzweiler Tief im Westen

Gatzweiler · Wir sind im Niemandsland: Das Dorf Gatzweiler ist die westlichste Honschaft Mönchengladbachs. Weil es aber am Stadtrand liegt, gibt es Karten, auf denen das Dorf fehlt. Manchmal gibt's gar seltsamen Besuch. Wenn Menschen auf der Suche nach Braunkohlebagger oder Altbier sind.

 Der Mühlenweiher und der Mühlenbach sind die Grenze Mönchengladbachs zu Wegberg. Peter Vieten (12, rechts im Boot) und seine Geschwister Christian (12) und Franziska (15) drehen gerne mal eine Runde auf dem Wasser.

Der Mühlenweiher und der Mühlenbach sind die Grenze Mönchengladbachs zu Wegberg. Peter Vieten (12, rechts im Boot) und seine Geschwister Christian (12) und Franziska (15) drehen gerne mal eine Runde auf dem Wasser.

Foto: Dieter Wiechmann

Sie wissen um ihren heiklen Namen. Ein Name, der so rheinisch klingt wie Schmitz. Jedenfalls haben die Bewohner von Gatzweiler, einem kleinen Dorf im Rheindahlener Land, im Namen ihrer Heimat schon einige Erlebnisse gehabt. Wo denn der Kohlebagger sei, fragen etwa Leute, die auf der Suche nach Garzweiler sind.

 Die Bwohner sind glücklich in ihrem Dorf.

Die Bwohner sind glücklich in ihrem Dorf.

Foto: Dieter Wiechmann

Und wie schön das denn wäre, eine eigene Brauerei im Dorf zu haben, die das Altbier braut. Das fragen Leute, die Durst auf Gatzweiler haben. "Dabei sind wir doch hier im Niemandsland", sagt Anita Demmerling und deutet mit einem Arm über die Weizenfelder, über denen an diesem Sommertag die Luft flimmert. Damit hat sie gar nicht so Unrecht.

62 Seelen leben in dem etwa 530 Meter langen Straßendorf. Die älteste Bewohnerin ist 98 Jahre jung. Es ist die westlichste Honschaft Mönchengladbachs. So tief im Westen, dass selbst manche Nachbarn vermuten, Gatzweiler gehörte schon zur Nachbarstadt Wegberg. Der Stadtplan im Telefonbuch "Das Örtliche" zum Beispiel zeichnet das Bild der Stadt nur bis kurz vor derStadtgrenze — Gatzweiler fehlt im Straßenregister.

Und ein Lokalpolitiker aus dem größeren Nachbardorf Broich war fest davon überzeugt, Gatzweiler gehöre schon zu Wegberg. Er soll ziemlich überrascht gewesen sein, als ihm hinter vorgehaltener Hand mitgeteilt wurde, dass das tatsächlich noch Gladbacher Boden ist. "Wat?", fragt die rüstige Katharina Kamps noch heute entsetzt. "Dä iss doch beklopp!"

Genau, denn Gatzweiler hat einiges zu bieten. Nicht wenige Ausflügler schätzen das Dorf als schicke Durchfahrtsstrecke ins Naturschutzgebiet, das wiederum zum benachbarten Wegberg gehört.

Der Mühlenbach, der direkt hinter den Häusern Gatzweilers verläuft, trennt Mönchengladbach vom Kreis Heinsberg. Allein schon der Bach, mindestens aber der Mühlenweiher, sind ein Blick wert. "Und unser kleiner Wildpark erst", sagt Anita Demmerling und zählt auf: "Eisvögel, Rehe, Hasen, Hängebauchschweine, Ponys und noch mehr Tierarten haben wir hier." Zudem gibt es schmucke Gärten, einige alte Häuser, einen Landwirtschaftsbetrieb, der die Weizenfelder bewirtschaftet, und ein Wasserwerk in dem Dorf.

Praktisch jeder Garten wird genutzt für die Selbstversorgung. Die Bewohner schätzen natürlich ihre Abgeschiedenheit und Ruhe, auch wenn viele junge Menschen das Dorf inzwischen verlassen haben.

Es gibt aber auch Ausnahmen. Ihre wissenschaftliche Facharbeit über ihr Heimatdorf beendete Sarah Demmerling 2003 mit dem Satz: "Ich hoffe, dass ich in Gatzweiler alt werden kann." Beste Voraussetzungen dafür hat sie: Ihre Familie lebt seit Generationen in dem Dorf, und das ist entscheidend. Gebaut werden darf nicht mehr. Es ist also ein Erbe, in Gatzweiler zu leben. Erstmals erwähnt wurde es im Jahr 1312, auf alten Karten aus dem achten Jahrhundert ist jedoch schon ein Haus zu erkennen. Da gab es weder Braunkohletagebau, noch Altbier.

Doch eines Tages wurde die Gatzweiler Brauerei aus Düsseldorf tatsächlich auf das gleichnamige Dorf aufmerksam. "Sie haben uns endlich entdeckt", frohlockt Theo Bertrams noch heute, als hätte man ihn von einer einsamen Insel gerettet. Die Brauereichefs veranstalteten eine Sternenfahrt nach Gatzweiler — eine Art Rallye — und brachten für die Dorfbewohner literweise Freibier und Spanferkel mit.

Die Dorfbewohner waren glücklich. Sie versicherten den Brauern aus der Landeshauptstadt, sie dürften gerne wiederkommen. Sie waren quitt.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort