Voosen Wie Gott in Voosen

Voosen · Ein Dorf wie gemalt: In Voosen feiern die rund 260 Einwohner gerne zusammen und tun alles dafür, den ländlichen Charakter zu behalten. Seit 30 Jahren droht allerdings Ungemach auf Schienen: der Eiserne Rhein.

 Walter Ormanns und Günter Tillen genießen die Fachwerkhäuser in Voosen.

Walter Ormanns und Günter Tillen genießen die Fachwerkhäuser in Voosen.

Foto: Detlef Ilgner

Walter Ormanns hat Großes vor. Er will das Volk zählen. Das Voosener Volk. Vermutlich wird das so funktionieren: Er fertigt eine Ausgabe des Infoblättchens "Voosen aktuell" an, verteilt es in den 150 Häusern und bittet die Bürger zu einem Tässchen Glühwein oder Bier ins Dorfzentrum. Dann könnten alle Bürger aufzeigen, Ormanns (70) zählt einmal durch und kommt wahrscheinlich wie vor drei Jahren bis etwa 260. Die große Volkszählung ist abgeschlossen, jetzt darf zusammen gefeiert werden. So oder ähnlich muss es sein.

 Der Altar in der Kapelle.

Der Altar in der Kapelle.

Foto: Detlef Ilgner

In Voosen ticken die Uhren noch etwas anders. Viel langsamer als im benachbarten Rheindahlen, das von Voosen aus gesehen schon etwas von einer Metropole hat. Geschäfte gibt es in dem Dorf nicht mehr, die Sauerkrautfabrik machte vor einigen Jahren zu. Nun ist dort der Weinhof Voosen zu Hause. Es gibt nur noch einen Briefkasten. "Bis vor ein paar Jahren hatten wir sogar eine Telefonzelle", erinnert sich der Voosener Günter Tillen (72) nicht ohne Stolz. Das Dorf liegt inmitten seiner Ländlichkeit, die es schon seit seiner ersten Erwähnung im 15. Jahrhundert hat (damals "Voysen"). Und Walter Ormanns tut mit der Interessengemeinschaft, deren Vorsitzender er ist, auch alles dafür, dass es so bleibt.

Bis 1999 sahnte Voosen bei dem Wettbewerb "Unser Dorf soll schöner werden" regelmäßig Preise ab. "Mittlerweile", sagt Walter Ormanns, "sind die Anforderungen zu hoch. Wir arbeiten lieber unspektakulär." Dazu gehören jährliche Besuche bei den Senioren des Dorfes mit einem kleinen Geschenk. Die Pflege der schmucken Blumenkübel im Dorf, von denen jeder eine Familie zum Paten hat. Das Dorffest, zu dem alle zwei Jahre die Voosener zusammenkommen. Das Martinsfeuer auf dem Feld, bei dem ein Bauer das Feld und der zweite Landwirt das Stroh zur Verfügung stellt. Die Weihnachtsfeier am Heiligen Abend im Dorfkern bei Glühwein und Blasmusik. Oder aber die Nikolausbesuche bei den Kindern.

Ja, Voosen hat in Andreas Keutgen (26) sogar seinen eigenen Studenten, der im Nikolauskostüm durchs Dorf zieht. Nur hat der das Problem, seine riesige Rasta-Mähne unter Perücke und Kapuze zu stopfen. Und einmal im Jahr beteiligt sich die Dorfgemeinschaft beim Frühjahrsputz der Rheinischen Post. In Voosen, da sind sich Walter Ormanns und Günter Tillen (Ehrenvorsitzender der Interessengemeinschaft) sicher, in Voosen lässt es sich aushalten.

Doch da ist dieses Ungetüm, dass den Niederrhein schon seit 30 Jahren beschäftigt: der Eiserne Rhein. Eine diskutierte Strecke verläuft durch Voosen. Und das geht natürlich nicht. Vielleicht erinnert sich die Gemeinschaft daran, was beim letzten größeren Bauvorhaben in Voosen passierte. Als die Umgehungsstraße zwischen der Dahlener und der Gladbacher Straße gebaut werden sollte, berief der Zimmermann Wilhelm Wirtz eine Dorfversammlung ein. Das Ergebnis: Die Dorfstraße wurde gepflastert und sieht heute wie eine Fußgängerzone aus. Voosen wurde erst recht malerisch.

(RP)
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