Mönchengladbach Wirte zeigen Borussia nicht mehr live

Mönchengladbach · Bundesligaspiele in der Kneipe live auf Sky sehen – das gestaltet sich für Fans bald schwierig. Denn angesichts von Gebührenerhöhungen um 100 Prozent und mehr kündigen immer mehr Gastronomen den Bezahlsender.

Bundesligaspiele in der Kneipe live auf Sky sehen — das gestaltet sich für Fans bald schwierig. Denn angesichts von Gebührenerhöhungen um 100 Prozent und mehr kündigen immer mehr Gastronomen den Bezahlsender.

Menschen liegen sich in den Armen, bejubeln Tore, vergießen gemeinsam Tränen: So war es im "Markt 26" in der Altstadt 20 Jahre lang. So lange bereits hat Inhaber Jürgen Post den Bezahlsender Sky abonniert, damals noch unter dem Namen Premiere. Doch mit dem gemeinschaftlichen Fußballgucken in der Kultkneipe könnte es sehr schnell vorbei sein. "Wenn alles so bleibt, mache ich von meinem außerordentlichen Kündigungsrecht zum 1. August Gebrauch", sagt Post. Und damit steht der Altstadtwirt bei weitem nicht allein. Uwe Schmitz vom Graefen + König etwa hat Sky schon gekündigt, weitere Gastronomen ebenfalls. "Die Preiserhöhung lässt sich wirtschaftlich einfach nicht darstellen", sagt Schmitz.

Hintergrund: Der Bezahlsender hat eine neue Gebührenstruktur für Gastronomen vorgestellt. Schmitz zahlt für das Graefen + König bisher 720 Euro im Monat, künftig verlangt Sky 900 Euro. Bei Jürgen Post wäre der Jahressatz von 2700 auf 6000 Euro gestiegen. "Angesichts von Erhöhungen um 100 Prozent und mehr muss man vermuten, dass Sky die Strategie verfolgt, dass Gastronomen das Produkt nicht mehr in Anspruch nehmen sollen — stattdessen vermehrt Privatkunden", so Oliver Leonards vom Club der Wirte. Und Andreas Graf vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga sagt: "Sky will sich offenbar auf Kosten der Gastronomen das zurückholen, was beim Abschluss mit den Vereinen und der Deutschen Fußballliga mehr ausgegeben werden musste."

Bisher berechneten sich die Tarife ausschließlich anhand der Größe des Schankraums, künftig werden auch die Komponenten Kaufkraft, Bevölkerungsdichte und Sportaffinität berücksichtigt. Am stärksten betroffen sind Schankräume jenseits der 201 Quadratmeter — hier fallen künftig im Schnitt 20 Prozent mehr an. Insgesamt lässt sich sagen: In Regionen mit hoher Fußballtradition, wie Ruhrgebiet und Niederrhein, können die Zuschläge massiv ausfallen, während die Preise in ländlichen Regionen teilweise sogar sinken. Der Fernsehsender argumentiert ferner damit, dass sich das Leistungsspektrum für Wirte erhöht: So werden nunmehr sämtliche Fußballspiele in HD gezeigt, weitere Sender und Sportarten angeboten und standardmäßig Zweitreceiver zur Verfügung gestellt.

90 Betriebe mit Sky-Lizenz gibt es in Mönchengladbach derzeit — und für viele von ihnen ist die neue Sky-Preisstruktur das "Sahnehäubchen", wie Leonards ironisch sagt. "Erst kamen die Gema-Gebühren und die steigenden Nebenkosten, dann das Nichtraucherschutzgesetz — und jetzt das." Um 10 bis 15 Prozent hätten sich die Kosten für Gaststättenbetriebe in den vergangenen anderthalb Jahren im Durchschnitt erhöht, dazu kämen die Umsatzverluste. "Alleine in den letzten zehn Wochen waren das in meinen beiden Läden mehr als 30 Prozent", sagt Leonards. "Wir müssen bereits Leute entlassen." Und Betriebsschließungen seien programmiert.

Damit es nicht so weit kommt, will der Dehoga "gegebenenfalls die Wettbewerbshüter einschalten", sagt Andreas Graf. Derzeit sammelt der Verband im Bereich Nordrhein die Sky-Schreiben betroffener Wirte. "Anfang August werden wir wissen, wie viele in welchem Umfang betroffen sind" — um dann gegebenenfalls harte Bandagen aufzufahren. Graf sieht die Problematik sogar als Baustein einer gewollten gesamtgesellschaftlichen Veränderung an: "Diese Arten der Versammlung sind politisch offenbar nicht mehr gewollt."

Andere, wie Uwe Schmitz, sehen die Lage entspannter. "Eine Kündigung hilft ja auch mal dabei, einen Denkprozess in Gang zu setzen", sagt er. "Wenn man für Sky wichtig ist — und das sind wir — bewegen die sich schon noch." Es sei jedoch wichtig, sich nicht alles gefallen zu lassen, was bereits bei den Gema-Gebühren ganz gut funktioniert habe. Und der Nichtraucherschutz? "Das Graefen + König ist seit mehr als einem Jahr rauchfrei. "Wir hatten unsere Delle schon im Dezember 2011." Jetzt, da viele andere Wirte leiden, verzeichne sein Lokal hingegen sogar ein Umsatzplus.

(RP)
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