Mönchengladbach Jugendfußball: Eltern im Abseits

Mönchengladbach · Weil es zunehmend Ärger mit Eltern und Trainern am Spielfeldrand gegeben hat, sollen sie nun auf Distanz gehen. Immer mehr Fußballkreise führen die Regeln der Fair-Play-Liga ein. Demnach ist Jubeln erlaubt, Einmischen aber verboten. Ein Besuch bei den Bambini in Mönchengladbach.

Mit den Schuhspitzen stehen Christel und Josef Florack knapp hinter der Grundlinie, 15 Meter vom Tor und ihrem Enkel Jooris entfernt. Von dem Fünfjährigen sehen sie auf dem Rasenplatz in Mönchengladbach-Rheydt nur sein gelbes Trikot mit der Nummer 11, viel mehr ist aus dieser Distanz nicht zu erkennen.

"Wir feuern unsere Enkel gerne an, rufen ,Aufpassen!', ,Zurück!' oder ,Angreifen!'", sagt der Großvater. Bei jedem Spiel des Bambini-Teams aus Neersbroich sind sie dabei. "Uns zurückzuhalten, fällt schwer. Wir leben Fußball — morgens fiebern wir mit unseren Enkeln mit und nachmittags mit der Borussia", fügt seine Frau Christel hinzu.

Es ist das erste Heimspiel der Saison beim Rheydter Spielverein, das die Jüngsten des Fußballkreises 04 Mönchengladbach/Viersen nach den neuen Regeln der Fair-Play-Liga absolvieren — und da ist lautstarkes Einmischen nicht mehr erlaubt. Jubeln ja, Eingreifen nein.

Weil in der Vergangenheit Eltern und Trainer zunehmend den Spielablauf beeinflusst haben und es zu teils gewalttätigen Auseinandersetzungen am Spielfeldrand gekommen war, sollen die Kinder nun selbst über Abstoß, Aus, Foul oder Eckstoß entscheiden — "wie beim Straßenfußball", erklärt Günter Fechtel, Staffelleiter der A- und B-Junioren und Bambini. "Viele Eltern sind sehr ehrgeizig und leistungsorientiert, auch wenn es noch um fast nichts geht", sagt er.

Bei den Bambini gibt es keine Tabelle. "Und doch zählen die Eltern jedes Tor. Ihnen ist es wichtig, ob die Mannschaft 14:0 oder 15:0 gewinnt." Es habe deshalb in der Vergangenheit häufiger Spielabbrüche gegeben; auch Trainer seien teils über das Ziel hinausgeschossen und zu viel Druck gemacht. Das habe den Kindern Spaß und Spontanität beim Spielen genommen. "Sie sind in der Lage, selbst zu entscheiden und sich untereinander zu einigen", ist Fechtel überzeugt.

Der Fußballverband Mittelrhein (FVM) startete vor zwei Jahren die Initiative für einen faireren Kinder- und Jugendfußball — ohne Schiedsrichter, mit abgetrennten Coachingzonen für die Trainer und Fanbereichen für die Familien. Inzwischen spielen dort alle Jugendlichen nach den neuen Regeln — mit Erfolg, wie Heiko Hamel, Vorsitzender der Jugendspruchkammer in Aachen, berichtet: "Die skeptischen Stimmen sind verstummt." Ein solches Prinzip lasse sich nur konsequent von der untersten zur obersten Jugendliga durchsetzen.

Das ist auch der Plan des Fußballverbands Niederrhein (FVN), zu dem Mönchengladbach gehört. Mehr als die Hälfte der 14 Kreise des Verbandes hatten vor der Sommerpause angekündigt, die jüngsten Spieler im Herbst gemäß der Fair-Play-Regeln spielen zu lassen oder das zumindest in Betracht zu ziehen. Neben Mönchengladbach gelten die neuen Richtlinien zum Beispiel in Wuppertal — dort sogar verpflichtend, ebenso wie in Moers, wo Bambini und F-Junioren Fair Play spielen.

Der Fußballkreis Düsseldorf weist seine Trainer in das neue Regelwerk ein, danach sollen die Eltern überzeugt werden, wie es aus dem Kreis heißt. "Unser Ziel ist ganz klar eine Fair-Play-Quote von 100 Prozent", sagt FVN-Jugendbildungsreferent Robert Ehlen. "Gut möglich, dass wir das langfristig für alle verpflichtend machen."

Wie groß der Einfluss am Spielfeldrand tatsächlich ist, zeigen dutzende Verfahren, die jedes Jahr vor den Jugendspruchkammern verhandelt werden. "Das betrifft vor allem die höheren Jugendligen, fängt aber schon bei den Bambini und der F-Jugend an", sagt der Vorsitzende der Kreisjugendspruchkammer Mönchengladbach Bernhard Lua. "Viele Eltern und Trainer sind schlechte Vorbilder."

Bei einem Spiel der F-Jugend vom SC Hardt gegen den SV Otzenrath hatte ein Trainer die gegnerischen Spieler beleidigt, ihr Können infrage gestellt und sich mit einem Vater angelegt. Das Spiel musste nach der Entscheidung der Spruchkammer wiederholt werden — und zwar testweise nach Fair-Play-Regeln. "Das hat gut funktioniert", sagt Lua.

Auf dem Fußballplatz in Rheydt, auf dem jede der vier Bambini-Mannschaften nach den neuen Regeln drei Spiele à 15 Minuten absolviert, sind einige Familien noch skeptisch. Tanja Vorwerk, Mutter des Neuwerker Torwarts Mika (5), bezweifelt, dass bereits die Kleinen bei Fouls selbst entscheiden können. "Das ist von Fünf- und Sechsjährigen viel verlangt." Es sei schade, dass man den Kindern nicht mehr so nah sein könne. "Gerade den Kleinen gibt das ja auch Kraft", meint Sandra Mücke.

Ihr Sohn Finn (6) sei eher schüchtern. Jochen und Ulrike Rautenberger haben gleich zwei Kinder auf dem Spielfeld: die Zwillinge Lotti und Luiz (6). Ihr Vater sagt: "Die kommen gut alleine klar. Den beiden ist gar nicht aufgefallen, dass wir jetzt weiter weg stehen. Sie spielen alle entspannter."

(RP/rl)
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