Nettetal Im Handstreich genommen

Nettetal · Bürgermeister Christian Wagner muss sich damit abfinden, dass er im entscheidenden Augenblick ohne Fortune ist: Die Rote Garde lief über zu den Möhnen. Nach dem Sturm übernahm ein Kaldenkirchener Paar die Macht im Rathaus.

Nettetal: Schlacht ums Rathaus
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Hochkaldenkirchen "Ein kleiner Hub für die Feuerwehr, aber ein großer Schritt für Nettetal", jubilierte gestern um 16.34 Uhr Willi Tempels. Der kleine Große aus Kaldenkirchen hatte sogar ein Tränchen im linken Augenwinkel. "Dass ich das noch erleben darf", flüsterte er. Stolz sah er auf zum Jürgen II. und Carina I., die im Sturm der Möhnen soeben das Rathaus im Handstreich genommen hatten. "Jetzt ist Lobberich endlich unser. Ab heute ist hier Hölle Ost", sagte Tempels mit breitem Grinsen.

Bürgermeister Christian Wagner hatte geahnt, was da kommen würde. Er hatte sich Mühe gegeben, wie immer, aber es hatte nicht gereicht. Selbst seine leibhaftige Erscheinung in einigen Nettetaler Sälen in den vergangenen Wochen hatte nicht verhindern können, dass er wieder einmal unterlegen war. Kein Wunder, es war ihm nicht einmal gelungen, die Truppen hinter sich zu sammeln. Hauptquartiermeister Armin Schönfelder gab noch vor der Nacht zum Möhnentag Fersengeld und ging Wagner von der Fahne. Man vermutet ihn bei seinen jugendlichen Wurzeln in Mecklenburgvorostpommern. Und die Marketenderin vom Nettebetrieb, Susanne Fritzsche, hatte sich schwarzperückt der abtrünnigen Roten Garde angeschlossen.

Rote Garde läuft zu Schwarzen Weibern über

Die heimatlosen Weiber von Nettetal besetzten mittags bereits den Kolping- und Frohsinn-Stützpunkt Boos, eisten dort jeder ein Käffchen für sich los und marschierten dann, entsprechend aufgeheizt und mit Tempels-Groschen bestochen, in Richtung Rathaus. Dort musterte der Bürgermeister gerade seine rote Garde, als die schon überlief zu den Schwarzen Weibern. Mit der Drehleiter wurden das Prinzenpaar und Obermöhnen ins Rathaus gehievt, wo der Bürgermeister ein bisschen verloren wirkte: Seine Truppen liefen auch über und öffneten im Untergeschoss den nun mit Macht eindringenden Besatzern die Türen.

Die Rechnungsprüfungsabteilung zählte für jede Gesellschaft elf Mitglieder ab, mehr durften nämlich nicht eingelassen werden. Bei dieser Gelegenheit wurde deutlich, warum Nettetal derartig hohe Schulden hat: Die Türhüter konnten nicht einmal bis elf zählen, bei zwanzig gaben sie ermattet ihren Widerstand auf.

Auf dem Doerkesplatz feierte unterdessen das Fußvolk in einigen Hundertschaften den Sieg über das Establishment. Lobberichs Ortsvorsteher Harald Post zettelte unterdessen im Oberstübchen eine Revolte an: Das habe man nun davon, wenn ein Hagener Wahl-Schaager in Lobberich was zu sagen bekomme. Prompt machten sich die Kaldenkirchener im Haus breit. Horst Fänger hielt sich als wahrer Hinsbecker alle Optionen offen, Breyells Ortsvorsteher Hubert Glock war überrascht, und die Altersbedingte Boygroup Kaldenkirchens (ABK) hatte den Revolutionstermin glatt verschlafen.

Ansonsten verbrüderten sich die Narren aus allen Stadtteilen und Gesellschaften, während Polizei, Jugendamt und Ordnungsamt sich verglasten Promillejüngern in den Weg stellten. Abends nach der Schlacht soll es in der schwindsüchtigen Stadtkasse wegen der hohen Pfandgeldeinnahmen ganz schön gerappelt haben. Am Sonntag folgte der Triumphzug der Sieger: Kaldenkirchen führt die Beute des gestrigen Tages vor.

(RP)
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