Nettetal Kaiser-Wilhelm-Allee wird 100 Jahre alt

Nettetal · "Naturdenkmal" auf den Hinsbecker Höhen wurde zum 25. Thronjubiläum Kaiser Wilhelm II. errichtet. Der Verkehrs- und Verschönerungsverein fürchtet nun, dass die Allee verloren geht.

Ein auf den Hinsbecker Höhen erstelltes "Naturdenkmal" wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Im Jahr 1913 ließen der Hinsbecker Bürgermeister August Färvers und der Gemeinderat aus Anlass des 25. Thronjubiläums Kaiser Wilhelm II. "am Aufgang zu den Höhen bis zum Festplatz" eine "Zierbaumallee aus Robinien" anlegen, die den Namen "Kaiser-Wilhelm-Allee" erhielt. Rund 220 Robinien wurden damals an dieser circa 900 Meter langen Allee gepflanzt – heute stehen dort noch etwa 140 Bäume.

Die industrielle Entwicklung zum Ende des 19. Jahrhunderts, die die Nachbarorte hatte wachsen lassen, war an Hinsbeck fast spurlos vorbeigegangen. Was Hinsbeck blieb, war seine Natur, die nun die Menschen insbesondere aus den Großstädten verstärkt anzog. Dies hatte der Hinsbecker Bürgermeister August Färvers erkannt und versuchte, hieraus für Hinsbeck das Beste zu machen. Die Höhen und Seen wurden für Besucher hergerichtet. Bereits 1902 wurde ein erstes kleines, mit Schilf abgedecktes "Häuschen zum Aus- und Ankleiden" am Hinsbecker Bruch erstellt (das heutige Strandbad).

Für die Gestaltung der Hinsbecker Höhen holte man sich Fachleute von den Steyler Patres und ließ Rundwanderwege anlegen, Ruhebänke aufstellen (1908) und gab einen Wanderführer heraus (1909). Am Galgenberg wurde eine Trinkbude aufgestellt, die der Hinsbecker Wirt Heinrich Rollbrocker pachtete und an der nur alkoholfreie Getränke ausgeschenkt wurden.

Den schon früh entwickelten Plan zur Erstellung einer Zierbaumallee musste man zunächst noch aus Kostengründen zurückstellen. Zum 25. Thronjubiläum Kaiser Wilhelm II. wurden in vielen Städten und Gemeinden Denkmäler errichtet. Hinsbeck wollte jedoch kein Monument, sondern ein zu seiner Natur passendes Objekt. Am 20. Dezember 1912 reichte daher August Färvers, der auch Präsident des 1907 gegründeten Verkehrs- und Verschönerungsvereins war, einen Plan "zur Erstellung eines Naturdenkmals" bei der "Plankammer des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten" in Berlin ein. Mit Datum vom 5. Mai 1913 wurde der Plan inklusive der Nutzung des Namens "Kaiser-Wilhelm-Allee" genehmigt.

Geplant war eine "Zierbaumallee am nördlichen Aufgang zu den Höhen" beginnend am Hof von Hermann Verbeek (Oberstraße 29, heute Meiners) bis zum Festplatz. Als Bäume wurden Robinien, sogenannte falsche Akazien, gepflanzt. Den Festplatz, eine etwa 100 mal 100 Meter große Fläche am Ende der Allee (gegenüber dem heutigen Zugang zur Geer), hatte die Gemeinde im Jahre 1910 erworben und dem VVV zur Verfügung gestellt. Dort veranstaltete dieser bis Mitte der 1930er-Jahre seine beliebten Bergfeste, auf denen sich am Wochenende zwischen 6000 und 8000 Besucher tummelten – und das bei nur etwa 2800 Einwohnern Hinsbecks. Spätere Bergfeste wurden auf einer freien Fläche circa 200 Meter vor dem Festplatz beziehungsweise auf dem heutigen Heideparkplatz veranstaltet.

Am 5. Dezember 1913 meldeten die Zeitungen, dass die Kaiser-Wilhelm-Allee fertiggestellt und eingeweiht wurde. Die Kosten zum Bau der Allee trug die Gemeinde. Der Weg zur Heide bestand bis Anfang des Zweiten Weltkriegs aus losem Sand und Geröll, bei Starkregen floss der Sand bis ins Dorf. Erst als Ende des Zweiten Weltkriegs die Tankwagen für die Flugabwehrstellungen auf der Heide und den Flugplatz Venlo wegen des besseren Sichtschutzes gegen Flugzeugangriffe verstärkt über die Straße zur Flootsmühle fuhren, wurde diese mit Split und Steinen befestigt. Hierzu gehörte auch die vordere Hälfte der Kaiser-Wilhelm-Allee. Dieser Zustand blieb bis 1962. Als die Gemeinde 1962 auf der Oberstraße Kanalisation und eine Wasserleitung verlegte, wurde auch die Straße erneuert und zum ersten Mal eine Asphaltdecke aufgebracht.

Im Zweiten Weltkrieg wurden hinter dem Weg, der heute hinter dem LSB-Dorf vorbei führt, auf einer Länge von etwa 100 Metern beidseitig die Robinien entfernt. Dort stand in dieser Zeit von der Allee bis zur Straße zur Waldesruh eine Flugabwehrstation, für die damit eine freie Schussfläche erstellt wurde. Zwei Jahre nach Ende des Krieges wurde dieser Bereich durch Neuanpflanzungen wieder aufgefüllt.

Überhaupt ist es überraschend, dass die Bäume die Nachkriegszeit ohne große Beschädigungen und Fällaktionen überstanden haben. Die Hinsbecker Heide, und damit auch die Kaiser-Wilhelm-Allee, wurde zu allen Zeiten für sportliche Aktivitäten genutzt. So fanden hier bereits in den 1920er- und 30er-Jahren Pferderennen, in den 1950er-Jahren Motorradrennen statt, und bis heute startet hier der VfL Hinsbeck seine jährlichen Waldlaufveranstaltungen. Seit 2002 hat darüber hinaus der VVV Hinsbeck im vorderen Teil der Allee mehrere Kunstwerke aufgestellt.

Der frühere Festplatz wurde in den 1950er-Jahren aufgeforstet. Von den ursprünglich circa 220 Robinien der Allee stehen heute noch etwa 140. Durch Neubauten und das Absterben von Bäumen wurden etliche Lücken gerissen. Anfangs wurden diese Lücken noch von der Gemeinde Hinsbeck, später von der Stadt Nettetal, mit neuen Robinien aufgefüllt. In den letzten Jahren erfolgte keine Aufforstung mehr, die Lücken blieben.

(heko)
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