Nettetal Mit dem Rasenmäher durch den Grünbereich

Nettetal · In knapp 25 Jahren haben sich Grünflächen, Parks und Bäume verdoppelt und verdreifacht. Die Stadt kapituliert vor deren Pflege.

 Der Ingenhovenpark in Lobberich, malerisch schön zu allen Jahreszeiten, aber auch sehr pflegebedürftig.

Der Ingenhovenpark in Lobberich, malerisch schön zu allen Jahreszeiten, aber auch sehr pflegebedürftig.

Foto: Busch

Früh am Morgen schwärmen vom Bauhof der Stadt die Mitarbeiter aus, die die Grünflächen im Stadtgebiet pflegen. Sie arbeiten auf der Grundlage eines Konzepts, das vor Jahren entworfen wurde. Das Konzept gibt es noch, aber es greift nicht mehr. Die Aufgaben haben sich mehr als verdoppelt, gleichzeitig hat die Stadt aber immer mehr Stellen gestrichen. "Es gibt die Pflegeklassen eins bis drei nur noch auf dem Papier", berichtete Heike Meinert, die den Bereich verantwortet, im Planungsausschuss.

Den Rasenmäher hat die Stadt demnach wohl weniger eingesetzt, um Gras kurz zu halten, als vielmehr eine ganze Abteilung zu verkleinern. Genauere Zahlen blieben Meinert und die Technische Dezernentin Susanne Fritzsche zwar trotz Nachfragen schuldig. Aber das Dilemma kann sich jeder Bürger ansehen, sobald die Vegetationsphase beginnt.

Die Grünfläche am Kaldenkirchener Marktplatz gehört beispielsweise zur Pflegekategorie eins. Sie müsste nach dem Konzept 15- bis 18-mal im Jahr gemäht werden, außerdem sollte zehn- bis 15-mal gejätet und geschuffelt werden. Gemäht wird inzwischen nur noch drei- bis viermal in der Saison, und zweimal stoßen Mitarbeiter des Grünflächenbereichs ihre Schuffeln ins Erdreich, um unerwünschtes Grün zu beseitigen.

Die Pflegeklasse eins gebe es mittlerweile gar nicht mehr, bekannte Heike Meinert. "Das ist alles fließend in die Klasse zwei übergegangen, andere Flächen werden, wenn überhaupt, nur noch extensiv bearbeitet", berichtete sie. Vom Grünflächenbereich könne niemand mehr Leistung verlangen, "weil das Pensum nicht zu leisten ist", bekannte Fritzsche. Eine Lösung sehe sie zurzeit nicht.

Die Beigeordnete nannte einige Vergleichszahlen, um deutlich zu machen, dass ihr Grünbereich längst über das Machbare hinaus strapaziert wird. Im Jahr 1986 pflegte die Stadt noch rund 135 000 Quadratmeter an Park- und Grünanlagen. Inzwischen sind 389 000 Quadratmeter zu pflegen. Die Zahl der Bäume hat sich seither mehr als verdoppelt. 1986 waren es noch rund 3000, jetzt sind es etwa 7500. Noch wesentlich mehr Arbeit wartet auf die Gärtner und ihre Hilfskräfte an den Straßen. Dort waren 1986 noch rund 40 000 Quadratmeter Grün zu pflegen, heute sind es 93 000 Quadratmeter.

Richtig gepflegt werden mittlerweile nur noch Flächen, deren Betreuung die Stadt privaten Unternehmen übertragen hat. Dazu gehört, wohl als Visitenkarte, das Umfeld des Rathauses. Auch das "Straßenbegleitgrün" an der Leuther Straße in Kaldenkirchen wird gut gepflegt. Kein Wunder, da steht der Bau der Stadtwerke. Der macht sich besser hinter blühenden Narzissen im Frühjahr als in einem Gestrüpp wild wuchernder Wildkräuter.

Die Politik wird das Thema jetzt in die Beratungen aufnehmen. Unangenehm ist es allemal. Der schöne Schein soll schließlich gewahrt werden.

(RP/rl)
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