Nettetal Santa-Fé-Express kippt aus dem Gleis

Nettetal · Aber nur auf der neuen Tischanlage der Rokal-TT-Freunde Lobberich. Weiterhin herrscht großes Interesse an der kleinen Modellbahn, die von 1948 bis 1970 produziert wurde.

 Friedhelm Bangel aus Oberhausen hat Platten mitgebracht, auf denen Gleise befestigt sind. So entsteht eine 3,15 Meter lange Gleisanlage in Form einer Keule.

Friedhelm Bangel aus Oberhausen hat Platten mitgebracht, auf denen Gleise befestigt sind. So entsteht eine 3,15 Meter lange Gleisanlage in Form einer Keule.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Zunächst weiß die Lok nicht so recht, wie sie auf die Stromimpulse reagieren soll: Vorwärts? Rückwärts? Es ruckelt, das Licht flackert, aber nur in einer der beiden Loks, die einen Santa-Fé-Express (einstmals durch die Weiten des nordamerikanischen Kontinents) ziehen sollen. Schließlich dreht das Lokpaar eine Runde und wird dann mit drei Wagen vervollständigt. Zunächst klappt alles, doch ausgangs einer Kurve kippt der ganze Zug aus dem Gleis. Hat Manfred Albersmann am Steuerpult zu viel "Gas" gegeben? Das Unglück ist schnell behoben, die Santa-Fé-Loks werden durch zwei der Union Pacific Railroad ersetzt. Diese schaffen mit und ohne Waggons alle Kurven, ziehen dann zusätzlich noch drei Wagen des Trans Europa Expresses (TEE) mit.

Diese Szene spielt auf sechs zusammengesetzten Tischen im Hotel Stadt Lobberich, in dem sich die Rokal TT-Freunde alle zwei Monate zum Stammtisch treffen. Hubert Schwarzenberg aus Aldenhoven hat die Loks mitgebracht, Friedhelm Bangel aus Oberhausen sorgte für das Gleisbett. Er hat auf zwölf Platten, die ineinander gesteckt werden, eine 3,15 Meter lange Gleisanlage in der Form einer Keule installiert: zwei lange parallel verlaufende Geraden mit "ausgebeulten" Kurven. Sie erlebt beim September-Stammtisch ihre Premiere als Teststrecke für Loks, die oftmals lange nicht mehr gelaufen sind.

Walter Brandt, mit dem Rokal-Experten Manfred Albersmann vor zehn Jahren Gründer des Stammtischs, hat einen Schotterwagen beladen und lässt ihn mit neun weiteren (unbeladenen) Wagen von einer BR 03, einer früheren Dampflok der Bundesbahn, über die Gleise ziehen: Es klappt einwandfrei. Als gelernter Zahntechniker ist er kleinteiliges Arbeiten gewohnt. An einem beschädigten Wagen hat er wieder Haltegriffe angebracht, auch wenn sich an ihnen nie ein Eisenbahnarbeiter festhalten wird. Es muss eben alles so echt wie möglich aussehen – wenn auch nur im Maßstab 1:120. TT – Table Top machte die Modellbahn einst so beliebt, Anfang der 50er-Jahre die einzige ihrer Art in Westdeutschland.

Wenn etwas zu reparieren ist, ist Walter Brand oft die erste Anlaufstelle. Diesmal kommt Theo Heckmann mit einer 24er Lok, einigen Schienen und Wagen: Er schenkt sie den Rokal-Freunden. Sohn Thomas, mittlerweile 40, hat kein Interesse mehr. "Der Karton lag nur noch bei uns rum. Ehe wir ihn wegwerfen, geben wir ihn lieber hier ab", sagt Heckmann. Und Brandt dankt herzlich, denn Ersatzteile, vor allem originale, werden immer noch gebraucht. Da gibt es einige Spezialisten. Wolfgang Kossek (Breyell) ist einer von ihnen. "Er ist der einzige, der alles machen kann und jede Lok wieder ans Laufen bringt, weil er Ahnung von der Elektrik hat", schildert Manfred Albersmann.

Er hat ein Buch über die Geschichte der Modellbahn geschrieben, die 1946/47 beim Armaturenhersteller Robert Kahrmann entwickelt und 1948 erstmals produziert wurde. "Das ist eine B 1003 aus der dritten Serie", weiß er sofort, als der Berichterstatter ihm ein "Schätzchen" aus dem Jahre 1950 zeigt. Allerdings: Die Lok, ein Phantasiemodell nach einem französischen Vorbild, läuft nicht mehr, auch ist die Kupplung vorn verbogen. So werde der Liebhaberpreis von rund 300 Euro drastisch sinken. Die Lok bleibt vorerst als Andenken im Holzkasten, auf dessen Deckel das Konterfei des Kahrmann-Enkelkindes Helmut Heymanns prangt.

Als eine Tenderlok vom Typ BR 24 über das Gleis scheppert, heißt es gleich: "Die braucht Öl, runter nehmen, sonst läuft die heiß." Die kleinen Loks brauchen Pflege und meist auch einige Runden Einfahrzeit, denn anfangs auftretendes Ruckeln "ist die Rokal-Krankheit – die müssen erst eine halbe Stunde fahren, ehe sie richtig laufen". Die Rokal-Freunde in Lobberich sorgen dafür, dass ihre Lok noch lange läuft.

Die Tischbahn wird wieder aufgebaut beim Stammtisch am Samstag, 16. November, 17 Uhr, im Hotel Stadt Lobberich.

(mme)
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