Kreis Viersen Bildungspaket zu kompliziert?

Kreis Viersen · Kritik kommt seit einigen Wochen auf: Die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets des Bundes erfolgte zu spät. Zuständigkeiten waren lange unklar. Das Antragsverfahren ist zu bürokratisch. Viele Betroffene wollen die Hilfe nicht.

Es sollte der große Wurf werden und ist vom Grundsatz her auch eine gute Sache: das Bildungs- und Teilhabepaket, das die Bundesregierung Ende März dieses Jahres auf den Weg gebracht hat. Zum 1. April trat das Millionen schwere Hilfspaket in Kraft. Es soll Kindern und Jugendlichen aus einkommensschwachen Familien eine pädagogische und kulturelle Förderung ermöglichen.

Eingebunden sind die Kommunen und die Jobcenter, die die Bedürftigkeit prüfen und die Mittel auszahlen. Die Kritik aber ist groß und wird seit einigen Wochen lauter. Lehrer an Schulen oder Erzieherinnen in Kindertagesstätten sollen für Hilfen aus dem Sonderfonds werben, fühlen sich aber überfordert, weil sie die Einkommensverhältnisse der Familien nicht kennen. Die Kommunen stöhnen unter der bürokratischen Last, die ihnen ohne Vorbereitungszeit aufgebürdet worden ist.

Kreissozialdezernent Ingo Schabrich spricht von einem "bürokratischen Tiger", mit dem seine Behörde zu kämpfen habe. Der Kreis ist als Sozialträger — neben dem Jobcenter — für die Gewährung der Mittel zuständig. Der Aufwand, die Anträge zu prüfen, ist immens, sagt Kreissozialamtsleiter Frank Olislagers. Neu beim Bildungs- und Teilhabepaket ist, dass die Bedürftigen das Geld nicht direkt ausgezahlt bekommen, sondern dass die Zuschüsse für Nachhilfe, Schulessen oder zur Mitgliedschaft im Sportverein an die Träger weitergegeben werden.

Im Kreis haben rund 10 000 Kinder Anspruch auf Leistungen aus dem Fonds. Die Kreisverwaltung koordiniert in Abstimmung mit den kreisangehörigen Städten und Gemeinden und dem Jobcenter die Umsetzung des Förderpakets. Die Zuständigkeiten waren zunächst unklar. Anspruch hat nämlich, wer Hartz IV, Wohngeld, Kinderzuschlag oder Sozialhilfe bezieht. Und da sind mehrere Behörden im Boot, etwa das Jobcenter, die Wohngeldstelle der Kommune oder das Kreissozialamt. Ein weiteres Problem: Genaue Ausführungsbestimmungen zum Bildungs- und Teilhabepaket gab es nicht, auch wussten Kommunen nicht, wie viel Personal sie benötigten. Kreisverwaltung und Jobcenter haben das Verfahren zumindest ein wenig vereinfacht.

In einigen Bereichen gab es aber Probleme der besonderen Art. Da Schulen teilweise von der Bezirksregierung zu spät informiert wurden, dass sie über die Lehrer mitwirken sollten, kamen Kinder vielfach gar nicht in den Genuss von Nachhilfeunterricht, den sie über das Bildungspaket hätten beanspruchen können.

Zudem müssen die Eltern für Kinder selbst die Initiative ergreifen. Soll ein Kind im Verein Sport treiben oder an der Musikschule ein Instrument erlernen, müssen die Eltern bei diesen Institutionen Bescheinigungen erfragen. Da fühlten sich anfangs auch manche Vereinsfunktionäre überfordert. Bei der Kreismusikschule frohlockte man schon über einen neuen Nachfrageboom. Doch gerade hier zeigt sich bislang wenig Interesse der Eltern. Lediglich für ein einziges Kind wurde beim Kreis Musikunterricht beantragt.

(RP/rl)
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