Viersen "Feuer und Flamme" ohne Kohle

Viersen · In der Viersener Innenstadt warb die Freiwillige Feuerwehr um Nachwuchs. Denn durch den demografischen Wandel fehlen ihr zunehmend junge Leute, die sich engagieren wollen.

 In voller Montur liefen die Viersener Feuerwehrleute durch die Fußgängerzone, um auf ihre Nachwuchssorgen aufmerksam zu machen.

In voller Montur liefen die Viersener Feuerwehrleute durch die Fußgängerzone, um auf ihre Nachwuchssorgen aufmerksam zu machen.

Foto: Franz-Heinrich Busch

"Wir produzieren im Dauerbetrieb 365 Tage im Jahr Sicherheit, sind Marktführer in unserer Branche, haben ein örtliches Monopol, zahlen schlecht bis gar nicht, fordern Sie gern zu 100 Prozent oder mehr, übernehmen für unsere Kunden unlösbare Aufgaben." Das steht in einer scherzhaften "Stellenanzeige", die die Freiwillige Feuerwehr in Hamburg-Bille im Internet aufgegeben hat. Später wird natürlich noch auf Spaß und Kameradschaft verwiesen.

Aber der Spaß hat einen ernsten Hintergrund: den demografischen Wandel. Also die Tatsache, dass es immer mehr ältere und immer weniger junge Menschen gibt. "Das zeigt, dass wir mit diesem Problem nicht allein sind", sagt Viersens Feuerwehrchef Frank Kersbaum. Er ist mit "seiner" Wehr nun einen anderen Weg an die Öffentlichkeit gegangen. Einige Trupps unter vollem Atemschutz mischten sich unter die Besucher des Landmarkts und warben um Nachwuchs.

Schon als die Männer und Frauen sich am Rande des Busbahnhofs ausrüsteten, bleiben die Menschen stehen. "Brennt es?", fragt ein kleines Mädchen seine Mutter. "Wenn nicht, warum ist die Feuerwehr da?" Genau das erleben die Wehrleute immer wieder. Die Feuerwehr ist interessant — zum Gucken. Bei jedem Einsatz sammeln sich viele Schaulustige. "Wir sind jetzt dazu übergegangen, die jungen Leute, die gucken kommen, nachher gezielt anzusprechen, dass sie genau die Richtigen für die Feuerwehr seien", erzählt Kersbaum. "Dabei sein wollen alle — mitwirken die wenigsten."

Wenn man vom "Ja zur Feuerwehr und zum Dienst am Nächsten" spreche, dann klinge das in vielen Ohren konservativ und spießig. "Die jungen Leute heute sind zunehmend Individualisten, die sich nicht binden oder gar unterordnen wollen, die keine Abhängigkeiten wünschen", hat er erfahren. Aber auch das gehört zur Feuerwehr. Denn die Ausbildung wird immer komplexer, erfordert viel Engagement und Freizeit-Einsatz. Dennoch sei es nötig, neue Wehrleute zu gewinnen. Kersbaum erklärt das am Beispiel Boisheim: "Bei 2000 Einwohnern haben wir nur 28 Feuerwehrleute." Weitere 150 kämen nach ihrem Alter und Fitness-Zustand wohl infrage. Und die will man nun ansprechen, denn viele arbeiteten ja auswärts, und dennoch müsse auch am Tage in dem Ort eine Mindestbesetzung gewährleistet sein.

Die Alternative — nicht nur für Viersen, sondern für alle Städte und Gemeinden — wäre fatal. Feuerschutz ist eine Pflichtaufgabe. Gäbe es keine freiwillige Wehr, müsste eine Berufsfeuerwehr eingerichtet werden. Kein Bürgermeister könne mit Hinweis auf die fehlenden Haushaltsmittel sagen, es sei kein Geld da. Eher müssten dann andere Leistungen — zum Beispiel Schwimmbäder oder Kulturveranstaltungen — gestrichen werden.

In der Fußgängerzone werden die Feuerwehrleute neugierig betrachtet. Viele suchen auch ein kurzes Gespräch. "Könnt Ihr nicht auch in die Schulen gehen und da werben?", fragt Wilhelm Thönissen. In seinem Alter kommt der Rentner nämlich nicht mehr als "Nachwuchskraft" infrage. Aber er hat das Problem erkannt: "Die wichtigsten Vereine haben keinen Nachwuchs." FRAGE DES TAGES

(hah)
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