Billard-WM in Viersen 2012 Kunststoß vom Könner

Viersen · Wenn bei der Billard-WM in der Festhalle Spielpause ist, bilden sich im kleinen Saal regelmäßig Zuschaueraufläufe. Dann tritt Thomas Ahrens an den Tisch und zeigt Sachen, die irgendwo zwischen Kunst und Magie liegen.

 Thomas Ahrens zeigt während der Billard-WM dem staunenden Publikum im Ernst-Klusen-Saal der Viersener Festhalle wahre Kunststücke mit dem Queue.

Thomas Ahrens zeigt während der Billard-WM dem staunenden Publikum im Ernst-Klusen-Saal der Viersener Festhalle wahre Kunststücke mit dem Queue.

Foto: FRANZ-HEINRICH BUSCH

Was Thomas Ahrens da macht, geht eigentlich nicht. Seine Bälle laufen rückwärts, sie beschreiben Kurven, sie ändern plötzlich die Richtung, als hätten sie es sich anders überlegt. "Ahs" und "Ohs" und vor Staunen offene Münder begleiten Ahrens bei der Arbeit. Er sei ja nur der Pausenclown, sagt er selbst in gespielter Bescheidenheit. Tatsächlich ist er seit Jahren die heimliche Attraktion der Billard-WM.

Wenn im großen Saal Spielpause ist, gibt Ahrens Kostproben seiner Kunst. Der Hannoveraner ist dreifacher Europameister, 15-facher Deutscher Meister und zweifacher Vizeweltmeister in der spektakulärsten Disziplin des Billardsports: Billard Artistique. Kerzengerade fixiert der 46-Jährige den Queue über dem Spielball und stößt blitzschnell von oben zu. Kopfstoß nennt das der Experte. Der Kugel gibt er damit einen solchen Effet, dass die Gesetze der Physik außer Kraft gesetzt werden. Der Ball rollt durch die Wucht des Stoßes zunächst vorwärts, rotiert aber gleichzeitig in die entgegengesetzte Richtung. Noch bevor er die gegenüberliegende Bande erreicht, bleibt er einen winzigen Augenblick stehen, rollt dann rückwärts und umkurvt dabei noch höchst elegant einen auf dem Tisch positionierten Kegel.

Ahrens spielt auch in der Dreiband-Bundesliga — in der nächsten Woche tritt er mit seinem Verein CBV Neustadt gegen Deutschlands Top-Spieler Martin Horn und dessen Team an. Im Dreiband kann Ahrens den Cracks der WM nicht das Wasser reichen. Im Billard Artistique ist er dagegen der Maßstab. Da hätte Martin Horn keine Chance. "Dafür ist meine Technik nicht gut genug", räumt Horn, aktuell laut Weltrangliste immerhin der zehntbeste Dreiband-Spieler der Welt, freimütig ein.

Physikalisch ist das, was er mit den Bällen anstellt, "nicht erklärbar", sagt Ahrens. Zauberei ist ebenfalls auszuschließen, versichert der Meister glaubhaft. Es ist eben doch ständiges Training. Billard Artistique hat sich Ahrens selbst beigebracht. Mit 20 Jahren fing er an, ein Jahr später war er Zweiter der Deutschen Meisterschaft. Es war die Zeit, da Billard Artistique dank des legendären Addi Furler noch in der ARD-Sportschau stattfand. 1991 war er erstmals Deutscher Meister — reichlich weitere Titel folgten. Die rund 30 Leute, die heute in der Artistique-Szene in Deutschland auf gehobenem Niveau spielen, sind alle durch Ahrens' Schule gegangen.

Reichtümer kann man mit Billard Artistique nicht anhäufen. Für einen EM-Titel gibt es 4000 Euro Preisgeld. Seinen Lebensunterhalt verdient Ahrens dennoch mit Billard. Als Selbstständiger verkauft er Billardtische, Queues und alles, was dazugehört. Das lässt sich ganz gut mit dem Sport verbinden. Etwa 20 bis 30 Wochen pro Jahr ist Ahrens in Sachen Artistique unterwegs. "Ein bisschen verrückt" müsse man schon sein, sagt er.

(jo-s)
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