Viersen Macht Breitensport die Leistung kaputt?

Viersen · Die Stadt- und Gemeindesportverbände fordern in einem Arbeitspapier vom Kreissportbund, Wettkampfsport besser zu fördern. Der Verband wehrt sich gegen die Kritik: Leistungsförderung sei Aufgabe von Fachverbänden.

 Das Viersener Hochsprungmeeting gehört zu den wenigen Veranstaltungen im Kreisgebiet, bei denen Leichtathleten als Vorbilder ihre herausragenden Leistungen zeigen können.

Das Viersener Hochsprungmeeting gehört zu den wenigen Veranstaltungen im Kreisgebiet, bei denen Leichtathleten als Vorbilder ihre herausragenden Leistungen zeigen können.

Leistungssport ist ein Ergebnis von gut organisiertem Breitensport. Breitensport wiederum ist ohne Spitzenleistungen und die Vorbildfunktion von Leistungssportlern kaum denkbar. Das eine bedingt also das andere – sollte man meinen. Doch schlagen Verfechter des Leistungssports im Kreis Viersen Alarm. Sie fürchten eine einseitige Entwicklung in die Breite.

Darüber, wie man Breitensport organisiert und Voraussetzungen für den Leistungssport schafft, gehen die Meinungen weit auseinander. Fritz Meies, Vorsitzender des Sportausschusses im Kreistag, warf dem Kreissportbund (KSB) vor, falsche Akzente zu setzen – finanziell ebenso wie inhaltlich. Dagegen wehrte sich KSB-Vorsitzender Kurt Heinrich vehement. Meies ordne seinem Verband eine falsche Aufgabenstellung zu und ignoriere die ausgeprägte Selbstverwaltung im Sport. Änderungen könne jedenfalls niemand von der politischen Bühne herab der Sportorganisation verordnen.

Meies hat eine komplexe Diskussion angezettelt, wie weit über den Interessenskonflikt zwischen Breiten- und Leistungssport hinausgeht. Gesellschaftliche Veränderungen haben den Sport insgesamt erfasst. Ganztagsunterricht in Schulen blockiert Angebote von Vereinen oder zwingt sie zu angepassten Arbeitsgemeinschaften im Schul-Ganztag. Vereine fühlen sich gezwungen, mitunter sehr kurzlebige Trendsportarten anzubieten, um Mitglieder zu halten. Konkurrenz bilden auf diesem Gebiet vor allem kommerzielle Anbieter.

Die Fußball-Bundesliga überlagert das gesamte Sportgeschehen: Traditionelle Sportarten wie Leichtathletik und Hallensport verschwinden schleichend. Vereine konzentrieren sich so auf Fußball, dass Investitionen fast ausschließlich in Kunstrasenplätze fließen. Die Rahmenbedingungen des von höchster politischer Kanzel gern beschworenen Ehrenamtes sind erbärmlich schlecht. Es gibt zwar im Kreis noch funktionierende Vereinsvorstände, aber das sind überwiegend "graue Köpfe". Jüngere Nachfolger sind selten.

Meies wirft dem Kreissportbund vor, er verstärke die Schieflage, weil er den Leistungsgedanken im Sport nicht ausreichend transportiere. Kurt Heinrich lässt das nicht gelten. Der KSB setze um, was seine Mitglieder, also die Vereine, von ihm erwarten. Leistungssport sei in den Fachverbänden und ihren Gliederungen angesiedelt. Und die achteten geradezu eifersüchtig darauf, dass sich niemand in ihre Aufgaben einmische. Auch die Stadt- und Gemeindesportverbände hätten darauf nur geringen Einfluss.

Heinrich und Meies mussten sich aber Kritik im Ausschuss anhören. "Breitensport darf nicht abrutschen in Gesundheitssport", warnte Christian Breuer. Der ehemalige Eisschnellläufer ist neues Mitglied im Ausschuss. Darüber hinaus ist Breuer Vorsitzender der Athletenkommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Andererseits sehe er eine Entwicklung hin zu "sportlichen Monokulturen" durch die Konzentration auf Kunstrasenplätze. Sie gingen auf Kosten nahezu aller anderen Sportarten. Breuer forderte, Randbereiche des Sports zu fördern, um die Verödung des Angebots zu verhindern und Leistung zu fördern.

Bis zum Sommer will ein interfraktioneller Arbeitskreis mit Vertretern des Sports einen Vorschlag erarbeiten, wie künftig Breiten- und Leistungssport eingeordnet werden sollten.

(RP)
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