Brüggen/Nettetal Streitschlichter für den Zoff am Zaun

Brüggen/Nettetal · Berthold Bauer und Anne Michalzyk sind Friedensstifter. Mit Lebenserfahrung, Fingerspitzengefühl und gesundem Menschenverstand schlichten sie als Schiedsleute Streitigkeiten, bevor es zu einem Gerichtsverfahren kommt.

 Berthold Bauer ist als Schiedsmann für den Bezirk Brüggen/Born zuständig, Anne Michalzyk betreut Lobberich, Breyell, Schaag und Lötsch. Er schreibt seine Protokolle am Laptop, sie alles mit der Hand ins Protokollbuch.

Berthold Bauer ist als Schiedsmann für den Bezirk Brüggen/Born zuständig, Anne Michalzyk betreut Lobberich, Breyell, Schaag und Lötsch. Er schreibt seine Protokolle am Laptop, sie alles mit der Hand ins Protokollbuch.

Foto: Busch

Berthold Bauer und Anne Michalzyk sind die vor-letzte Instanz. Sie sorgen dafür, dass Streitigkeiten beigelegt werden — bevor Juristen, Staatsanwälte und Richter auf den Plan treten. "Wir sind der Vorposten des Amtsgerichts", sagt Bauer. Oft sind es Lappalien, die aus Nachbarn, Partnern oder Verwandten Feinde machen. Die hohe Hecke, die dem Nachbarn Licht nimmt. Der Baum, dessen Äste aufs Grundstück nebenan ragen. Der Streit über den Hausrat bei Trennung und Auszug. Manchmal löst ein Verbalausrutscher vom Kaliber "blöde Kuh" jahrzehntelange Fehden aus.

Bauer hat schon Kontrahenten vor sich gehabt, die Nachbarn sind und 30 Jahre lang kein Wort miteinander gesprochen haben. Gegenseitiger Antipathie folgten kleinere Nickeligkeiten, größere Beleidigungen — und schließlich der Gang zum Schiedsmann. "Am Ende sind die beiden Arm in Arm rausgegangen", sagt Bauer schmunzelnd.

Die Ursache für Streit ist oft ein Kommunikationsproblem. "Die Leute können nicht miteinander re-den", sagt Anne Michalzyk. Und so schaukeln sich Nichtigkeiten zu regelrechten Kleinkriegen auf. Die Schiedspersonen haben dann die Aufgabe, den Kern des Problems freizulegen. Das erfordert kein juris-tisches Expertenwissen, sondern Lebenserfahrung, Fingerspitzengefühl und gesunden Menschenverstand. Darüber hinaus haben Bauer und Michalzyk eine freiwillige Mediatorenausbildung absolviert.

Die berühmten Streitigkeiten um Gartenzäune und Grundstücks-grenzen machen übrigens nur einen kleinen Teil der Schiedstätigkeit aus. Beleidigungen, Verleumdungen, Schadensersatzforderungen, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung oder Bedrohung sind zum Beispiel Tatbestände für ein Schiedsverfahren. Auch Körperverletzungsdelikte können im Schiedsamt landen.

Jeder Bürger kann sich direkt an die Schiedsperson in seinem Bezirk wenden. Oft verweisen auch die Ordnungsämter oder die Polizei an die Schiedsleute. Die haben die Auf-gabe, den Streit zu schlichten, bevor es zu einem langwierigen und kost-spieligen Gerichtsverfahren kommt. Wichtig: "Wir sprechen kein Urteil", betont Bauer. Die Schiedsleute versuchen, beide Parteien zu einer Einigung zu führen, der beide zustimmen können. Die Einigung wird in einem Protokoll festgehalten, das von der Schiedsperson amtlich gesiegelt wird. Die Vereinbarung ist rechtlich bindend. Sie kann bei Missachtung 30 Jahre gerichtlich vollstreckt werden.

Bauer und Michalzyk haben eine Erfolgsquote von rund 80 Prozent. Das motiviert: "Wenn ich dazu beitragen kann, dass sich zwei Men-schen versöhnen, dann ist das ein erhebendes Gefühl", sagt Michalzyk, die bereits seit 22 Jahren Schiedsfrau ist.

Wenn die Schlichtung nicht erfolgreich ist, geht der Fall vor Gericht. Bauer erinnert sich an eine alte Dame, der sogar ihr Anwalt riet, den im Schlichtungsgespräch vereinbarten Vergleich anzunehmen. Die Frau trommelte wie ein bockiges Kind mit den Fäusten auf ihre Knie und verkündete: "Ich will vor Gericht." Das sind die weniger erfreulichen Seiten des Schiedsleute-Daseins. Aber Bauer hat einen guten Ausgleich: Der Schiedsmann ist zugleich ehrenamtlicher Standesbeamter in Brüggen. Er bringt nicht nur Streitende, sondern auch Liebende zusammen.

(jo-s)
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