Willich „Elternwille kam zum Tragen“

Willich · Die Leiterinnen der Hauptschule in Anrath und der Gesamtschule in Willich sowie der Leiter der Realschule in Schiefbahn sprechen über die Entscheidung, eine zweite Gesamtschule in Willich zu errichten.

 Hermann-Josef Müller ist Leiter der Willi-Graf-Realschule in Schiefbahn.

Hermann-Josef Müller ist Leiter der Willi-Graf-Realschule in Schiefbahn.

Foto: Kaiser, Wolfgang

Wie bewerten Sie die Entscheidung für die Einführung einer zweiten Gesamtschule in der Stadt Willich zum Schuljahr 2012/2013?

Hermann-Josef Müller Die Entscheidung ist auf den deutlichen Elternwillen zurückzuführen. Aus unserer Sicht ist es sehr bedauerlich, dass Eltern, die bewusst ihre Kinder an unserer Realschule zum nächsten Jahr anmelden wollen, diese Möglichkeit wohl nicht haben und sich anderweitig orientieren müssen. Die Realschule kann stolz auf die erfolgreiche Arbeit von über 40 Jahren zurückblicken. Die hohe Zahl an qualifizierten Abschlüssen und Berechtigungen hat einen deutlichen Beitrag für die Bildungslandschaft der Stadt erbracht.

Ihre Schule läuft gleichzeitig aus. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Müller Die Realschule soll nach den ersten Planungen jahrgangsweise aufgelöst werden. Dies ist gesetzlich so vorgesehen. Vorrangiges Ziel ist die ordnungsgemäße Beschulung der verbleibenden Schüler und die Möglichkeit die Abschlüsse an der Realschule zu erreichen.

Welche Reaktionen haben Sie im Lehrerkollegium und von Eltern erhalten?

Müller Die Diskussionen werden seit längerer Zeit geführt. Für die Eltern derzeitiger Schüler steht das Erreichen des Bildungsganges an der Realschule im Vordergrund. Das Kollegium wird mit der Schulaufsicht für die Realschulen über die künftigen Entwicklungen reden.

Was sollte beim anstehenden Umbau der Schullandschaft in der Stadt Willich unbedingt berücksichtigt werden?

Müller In den vergangenen Tagen sind Eltern mit verschiedenen Fragen an mich herangetreten. So sollten die Eltern wissen, dass die Gesamtschule erst zum Schuljahr 2012/2013 eingerichtet werden kann, wenn die notwendige Anmeldezahl zu Stande kommt. Die neue Schule startet mit einer Jahrgangsstufe fünf. Die Realschule könnte jahrgangsweise aufgelöst werden und bleibt somit die restlichen Jahre für die verbleibenden Schüler bestehen.

Ist die Stadt Willich mit dann zwei Gesamtschulen und zwei Gymnasien plus Berufskolleg und Förderschule ausreichend für die Zukunft gerüstet?

Müller Hier muss man genau in die demographische Entwicklung schauen und die Schulentwicklungsplanung berücksichtigen. Dies obliegt der Verwaltung der Stadt Willich.

Wie bewerten Sie die Entscheidung für die Einführung einer zweiten Gesamtschule in der Stadt Willich zum Schuljahr 2012/2013?

Ute Will-Nieding Der Elternwille ist zum Tragen gekommen. Dies ist gerade für die Eltern der Viertklässler von großer Bedeutung, und es wird sie beruhigen, dass ihr Kind an einer Gesamtschule angenommen werden kann. Die Stadt Willich erhält ein Zwei-Säulen-Modell, so dass alle Kinder die Möglichkeit erhalten bis zum Abitur zu kommen, ohne die Schule wechseln zu müssen.

Welche Auswirkungen hat die zweite Gesamtschule auf Ihre Schule?

Will-Nieding Die Robert-Schuman-Europaschule ist sehr gut aufgestellt. Das Lehrerkollegium hat enorme pädagogische Stärken, so dass wir nicht damit rechnen, dass die zweite Gesamtschule als Konkurrenz zu uns zu sehen ist, sondern eher als Erweiterung des Schulangebots der Stadt. Dadurch wird sich also für unsere Schule erstmal nicht viel ändern. Wir werden eher kooperativ mit der neuen Schule zusammenarbeiten und deshalb habe ich auch ein zentrales Anmeldeverfahren für das System Gesamtschule vorgeschlagen.

Welche Reaktionen haben Sie im Lehrerkollegium und von Seiten der Eltern erhalten?

Will-Nieding Das Kollegium und die Elternschaft reagieren völlig unaufgeregt auf die angekündigte Veränderung in der Schullandschaft der Stadt. Wir kennen unser Potential, was sollte uns also beunruhigen?

Was sollte Ihrer Ansicht nach beim anstehenden Umbau der Schullandschaft in der Stadt Willich unbedingt berücksichtigt werden?

Will-Nieding Der Stadt muss es einerseits gelingen, die gleichen Voraussetzungen für alle Schulen zu schaffen und andererseits dafür Sorge zu tragen, dass alle Schülerinnen und Schüler gute Lernbedingungen an der von ihnen bevorzugten Schule vorfinden. Ich habe aber keinerlei Bedenken, dass dies nicht funktionieren könnte, denn der Schulträger hat sich immer gut um seine Schulen gekümmert.

Ist die Stadt Willich mit dann zwei Gesamtschulen und zwei Gymnasien plus Berufskolleg und Förderschule ausreichend für die Zukunft gerüstet?

Will-Nieding Wenn es den Schulen gelingt, die Eltern vom Schulangebot der Stadt zu überzeugen, wird keiner mehr sein Kind an der Schule einer benachbarten Stadt anmelden. Dann kann auch gewährleistet werden, dass die Schülerzahlen für alle gymnasialen Oberstufen ausreichen und ein entsprechend gutes Angebot für die Sekundarstufen II-Schüler vorhanden sein wird. Wobei auch hier immer Kooperationsmöglichkeiten beispielsweise zwischen den beiden Gesamtschulen denkbar sind.

Wie bewerten Sie die Entscheidung für die Einführung einer zweiten Gesamtschule in der Stadt Willich zum Schuljahr 2012/2013?

Karin Kirchmair-Brenner Ich begrüße diese Entscheidung ausdrücklich. Die Stadt Willich ist damit zukunftsorientiert aufgestellt und wird sowohl dem Wunsch der Eltern als auch bildungspolitischen Herausforderungen gerecht. Die Gesamtschule ermöglicht längeres gemeinsames Lernen auf unterschiedlichen Niveauebenen ohne frühzeitige Aussonderung.

Ihre Schule, die Johannesschule, soll gleichzeitig auslaufen. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Kirchmair-Brenner Wir sind natürlich traurig, dass eine so gut aufgestellte und erfolgreich arbeitende Hauptschule schließen soll. Wir haben aber frühzeitig erkannt, dass die Hauptschule als Schulform nicht von den Eltern akzeptiert wird und durch unseren Antrag auf Umwandlung in eine andere zukunftsträchtige Schulform Bewegung in die Schullandschaft gebracht.

Welche Reaktionen haben Sie im Lehrerkollegium und von Seiten der Eltern erhalten?

Kichmair-Brenner Die Eltern begrüßen auf der einen Seite die Entscheidung für die zweite Gesamtschule — besonders wenn sie noch Kinder in der Primarstufe haben. Sie befürchten auf der anderen Seite, dass viele gute Konzepte der Johannesschule, die eine nachhaltige Förderung ihrer Kinder beinhalteten, verloren gehen könnten. Für das Kollegium bedeutet es Abschied von einem gemeinsamen, gewachsenen System zu nehmen und sich neu zu orientieren.

Was sollte Ihrer Ansicht nach beim anstehenden Umbau der Schullandschaft in der Stadt Willich unbedingt berücksichtigt werden?

Kirchmair-Brenner Auf jeden Fall sollten die guten, erfolgreichen Konzepte sowohl der Johannesschule als auch der Realschule zwecks Profilbildung in Betracht gezogen werden. Die zieldifferente Beschulung von Kindern mit und ohne Handicap sollte allen Beteiligten ein Anliegen sein. Mit Übernahme des ausgereiften Konzeptes auch in personelller Hinsicht könnte die Stadt Willich Modellcharakter für viele Städte in NRW haben. Ähnliches gilt für die Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund. Erfolgreiche Sprachvermittlung ermöglicht erst die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Es ist das pädagogische Anliegen der Johannesschule, das Konzepte und Kompetenzen des erfahrenen Personals nicht verloren gehen.

Ist die Stadt Willich mit dann zwei Gesamtschulen und zwei Gymnasien plus Berufskolleg und Förderschule ausreichend für die Zukunft gerüstet?

Kirchmair-Brenner Damit trägt die Stadt Willich allen schulpolitischen und gesellschaftspolitischen Entwicklungen auch im Hinblick auf den demographischen Wandel Rechnung. Allen Willicher Kindern wird eine Beschulung zuteil, die durch längeres gemeinsames Lernen zu einem den individuellen Fähigkeiten entsprechenden Abschluss führt.

Andreas Cüppers stellte die Fragen.

(RP)
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