50. Köln-Tatort: Ein Heimatfilm

Der WDR lässt in einem Kölner Veedel derzeit seinen 50. Tatort aus der Domstadt drehen. Nach Obdachlosen, rücksichtslosen Unternehmensberatern und lesbischer Liebe auf dem Land geht es im Jubiläums-Tatort aus Köln erneut um soziale Konflikte – und Transsexuelle. Ein Toleranz-Test für Köln.

Köln Nix is heute mit Lauchsuppe für Einsneunundneuzig den Teller und einem Stängchen Kölsch dazu für Einszwanzig. Brigitte Stemmers Veedelskneipe "Lamäng" wird vom WDR belagert. Für seinen bereits 50. Köln-Tatort mit den Kommissaren Max Ballauf (Klaus J. Berendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) ist der Sender auf der Schäl Sick in Humboldt Gremberg eingefallen. Vier Tage ist hier die Kreuzung Taunusstraße/Feldbergstraße für die Dreharbeiten gesperrt.

Die transsexuelle Trudi Hütten (Edgar Selge) kommt aus der Kneipe, die der WDR kurzerhand in "Kaschämm" umbenannt hat, und bleibt mitten auf der Straße stehen: Hinter ihr geht der Eisenwaren-Händler von gegenüber gerade mit der Axt auf den Jaguar des Wettbüro-Zockers los. Trudi stockt, dreht sich um, stockt wieder – "Aus!" Die Jungs auf dem Spielplatz gehen auf ihre Positionen zurück, ebenso das Ehepaar mit den Taschen und die junge Frau mit dem dicken Tuch um den Hals.

Die wirklichen Veedelsbewohner liegen mit Kissen in den Fenstern oder machen es sich vor dem Kiosk hinter der Absperrung gemütlich, wo ein Tross Journalisten wartet. Nach Obdachlosen, rücksichtslosen Unternehmensberatern und lesbischer Liebe auf dem Land nun also Transsexuelle. "Und immer wieder stellt sich die Frage", so der WDR in seiner Ankündigung: "Wie weit ist es her mit der viel beschworenen Toleranz der Kölner?" Einige Veedelsbewohner nutzen die geballte Presse-Anwesenheit beim Dreh, um sich lautstark darüber zu unterhalten, dass man hier nur noch Türken und Marokkaner sehe und sich als Kölner schon fremd fühle. Das passt nicht so ganz in das WDR-Konzept des kriminellen Tatort-Heimatfilms.

"Der Kölner sieht aus wie ein besserer Mensch, aber er sieht eben nur so aus", sagt Mario Giordano, der das Drehbuch zur Jubiläumsfolge "Altes Eisen" geschrieben hat, "es ist ein leiser, melancholischer Fall." Obwohl der Köln-Tatort mit Kölner Postkarten-Motiven (ohne Dom und mehrere sinnlose Fahrten über die Rheinbrücken kommt kein Köln-Tatort aus) nicht gerade geizt, bildet er Köln nicht ab. Giordano, der 20 Jahre in Düsseldorf gelebt hat, hat das "Lebensgefühl Kaffeebud" in die Kulisse geschrieben. Es hätte jedes Veedel treffen können, Köln ist wieder einmal "su e Jeföhl". Daneben nimmt Giordano die 50. Folge zum Anlass, die beiden Kommissare über ihr Verhältnis zueinander nachdenken zu lassen. Entsprechend macht Ballauf sich in dem Rahmen Gedanken, der seiner Figur möglich ist. Er könnte einen interessanten Job beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden antreten. Und dann ist da noch die Polizeipsychologin Lydia Rosenberg (Juliane Köhler), die ihm den ohnehin selten klaren Kopf verdreht hat. Das alles gefällt Freddy Schenk, dem bodenständigen Kölner, natürlich überhaupt nicht. Es droht der Bruch.

Edgar Selge als transsexuelle "Trudi Hütten" wiederholt die Szene vor der Veedels-Kneipe mittlerweile bereits zum fünften Mal. Vielleicht macht man es auch lieber noch ein sechstes Mal, der Regisseur will da noch was ausprobieren. Die Spielplatz-Jungs kicken noch mal mit dem Ball herum, das Taschen-Ehepaar und die Halstuch-Frau setzen sich wieder in Bewegung. Edgar Selge als Transsexuelle Trudi sieht aus wie eine Karikatur. Für die Handlung des 50. Köln-Tatorts wäre das eigentlich nicht nötig: Es geht um den Tod einer fiesen Vermieterin, eine nur scheinbar intakte Nachbarschaft, hinter deren Fassaden Neid und Gier die mächtigsten Triebkräfte sind. Der Tod der Vermieterin nützt vielen: Trudi Hütten, die ihre Wohnung nicht verlieren wird, in der sie seit 30 Jahren wohnt, ihrer pflegebedürftigen Nachbarin Gerda, die auch nicht weiß, wo sie hin soll, und dem Sohn der Vermieterin, dessen Eisenwaren-Handlung nicht gut läuft, der aber mit dem Tod seiner Mutter plötzlich alle Sorgen los ist. Nur warum muss Trudi Hütten dafür transsexuell sein?

Vielleicht weil der Köln-Tatort nicht anders kann. Weil er in jede Handlung eine Sozial-Oper einflechten muss. "Es ist kein Film über Transsexuelle", versichert der zuständige WDR-Redakteur Frank Tönsmann, "es geht um die Kölner Mentalität." Oder was der WDR dafür hält.

Noch bis zum 13. April wird gedreht, ausgestrahlt wird die Folge im Herbst. In den nächsten Tagen bekommen die Anwohner das "Lamäng" zurück. Samt Lauchsuppe für Einsneunundneuzig und Kölsch für Einszwanzig. Für Ballauf und Schenk gibt es weiter Currywurst mit Rheinblick.

(RP)
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