Jülich Afghanistan-Abzug endet in Jülich

Jülich · Die Bundeswehr muss sich beeilen: Bis zum 31. Dezember soll der letzte deutsche Soldat samt Material vom Hindukusch zurückgeholt werden. Im Kreis Düren ist Endstation für die gepanzerten Fahrzeuge – hier werden sie repariert.

"Laura" hat eine mehr als 5000 Kilometer lange Reise per Flugzeug, Schiff und Lastwagen hinter sich und ist entsprechend staubig. Jetzt steht das minengeschützte Panzerfahrzeug, das ein unbekannter Soldat in Kundus mutmaßlich nach seiner Frau oder Tochter benannt hat, in einer Werkshalle des Jülicher Mechatronik-Zentrums, dem einzigen der Bundeswehr.

Hier wird "Laura" sorgfältig untersucht und instandgesetzt – wie viele Hundert andere Fahrzeuge, die noch folgen werden. "Ich bin überrascht, in welch relativ gutem Zustand sie hier ankommen", sagt Helmut Rieks, der Leiter des Technischen Prüfdienstes. Die Folgen des Einsatzes seien meist auf den ersten Blick unsichtbar: "Besonders häufig stellen wir Schäden am Fahrwerk fest – kein Wunder bei den Straßenverhältnissen in Afghanistan. Dazu kommen raue klimatische Bedingungen, die den Verschleiß erhöhen", erläutert Oberstleutnant Ralf Weisen, der Chef des Zentrums, das wie eine übergroße Autowerkstatt aussieht und bis 1964 ein ziviles Ausbesserungswerk für Dampflokomotiven gewesen ist.

Während "Laura", ein 12,5 Tonnen schweres, besonders gegen Sprengfallen geschütztes Transportfahrzeug, auf einer Rampe untersucht wird, warten draußen auf den Parkflächen weitere "Dingos", "Eagles", "Enoks" und "Wölfe" – die Bundeswehr hat ihren Fahrzeugpark nach Tieren benannt. Ihr bekanntester Panzer, der "Leopard", ist nicht darunter: Er war in Afghanistan – vorrangig aus politischen Gründen – nicht eingesetzt: Die Bundeswehr wollte am Hindukusch nicht allzu martialisch auftreten.

Die Rückkehrer, mit einem Großraum-Flugzeug von Masar-i-Sharif nach Trabzon in der Türkei geflogen und von dort nach Emden verschifft, werden in Jülich fast komplett zerlegt. 500 Stunden veranschlagt Weisen pro Fahrzeug. "Dann kommt es wie neu zurück zur Truppe oder ins Depot." Egal wie groß die Schäden seien, lohne im Zweifelsfall die Instandsetzung, meint der Offizier: "Immerhin kostet ein ,Dingo' eine knappe Million, ein ,Eagle' rund 900 000 Euro."

Über 1800 Fahrzeuge vom Geländewagen bis zur Panzerhaubitze verfügte die Bundeswehr in Afghanistan. Bei 1200 lohnt der Rücktransport nach Deutschland. Der Rest wird verschrottet, an die afghanischen Sicherheitskräfte verschenkt oder zum Beispiel auf der wöchentlichen großen Auktion im Feldlager von Masar-i-Scharif an Einheimische verkauft.

Die Rückverlegung des Materials, die Soldaten vermeiden den Begriff "Rückzug", ist die bislang größte logistische Operation der Bundeswehr. Sie verlaufe planmäßig, berichtet Brigadegeneral Wolfgang Gäbelein. Der stellvertretende Kommandeur des Logistikkommandos in Erfurt ist zur Dienstaufsicht in den Kreis Düren gereist. "Wir sind im Zeitplan und dürfen auch nicht zu schnell werden." Denn noch sind mehr als 3000 deutsche Soldaten in Afghanistan stationiert und brauchen geschützte Fahrzeuge.

Erschwerend kommt laut Gäbelein hinzu, dass der afghanische Präsident Hamid Karsai der Nato die Unterschrift unter das Stationierungsabkommen nach 2014 und die Folgemission "Resolute Support" verweigert. Deutschland hatte sich bereiterklärt, dafür bis zu 800 Soldaten zu stellen. "Aber zurzeit müssen wir auf Null planen, das heißt, ungünstigstenfalls muss Ende Dezember alles Bundeswehr-Material Afghanistan verlassen haben. Es gilt für uns, die Balance zu finden, was im Einsatzgebiet noch gebraucht wird und was nicht mehr."

Doch auch bei anderem Material wie Werkzeugsätzen oder Zelten sei der Bestand inzwischen auf die Häfte reduziert worden. In Jülich werden zudem Stromerzeuger, Klimageräte und Container instandgesetzt. Weisen und seine meist zivilen 233 Mitarbeiter sind stolz darauf, soeben den ersten "Dingo" wieder für die Truppe "fit" gemacht zu haben. Die warte dringend darauf, sei es für die Ausbildung oder vielleicht den nächsten Einsatz.

(RP)
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