Kolumne Auf Ein WortEine Zeit der Stille
Zu den eindrucksvollsten Bildern der Hl. Schrift zählt für mich eine Szene, die uns die Apostelgeschichte nach der Himmelfahrt des Herrn schildert (Apg 1, 12-14): Da finden wir die Urzelle der Kirche in Jerusalem zwischen der Himmelfahrt des Herrn und der Herabkunft seines Hl. Geistes an Pfingsten neun Tage lang versammelt im beharrlichen Gebet: Diese Tage gelten in der Kirche seither als besondere Gebetszeit, die wir die "Pfingst-Novene" nennen und in der wir besonders um die Einheit aller Christen miteinander beten. Ähnlich wie jedes Menschenkind neun Monate in der Geborgenheit und der Verborgenheit des Mutterschoßes braucht, um sich in Stille lebensfähig zu entwickeln und heranzureifen, bevor es geboren werden kann, ähnlich benötigte die Urzelle der Kirche mit den Aposteln und Maria, der Mutter Jesu, an der Spitze die Abgeschiedenheit und Stille dieser Pfingstnovene, ehe die Kirche dann an Pfingsten gleichsam in einer Sturzgeburt das Licht der Welt erblickt und sich plötzlich alle Türen und Tore zur Mission unter den Völkern öffnen. Geschart um Maria finden wir die Jünger Jesu in dieser Pfingstnovene einmütig beieinander: Da hat sich kein verstörtes Fähnlein von Aufrechten ängstlich hinter Mauern vor der bösen Welt verschanzt, da hockt aber auch kein aufgeregter urkirchlicher Aktionskreis hinter verschlossenen Türen beieinander, um pausenlos zu diskutieren oder zu palavern, was man denn nun alles miteinander anstellen sollte, damit nach Ostern "die Sache Jesu" irgendwie noch weitergeht. Nein, in dieser Pfingstnovene sind die Jünger nicht Handelnde, sondern Empfangende; diese Klausur der Pfingst-Novene ist für sie nicht Aktionszeit, sondern Gnadenzeit. Die Jünger und mit ihnen die ganze Kirche werden diese Gnadentage in der Stille mit dem Herrn in ihrer ganzen Geschichte nicht vergessen: Denn was an Pfingsten in der Mission der Kirche aufbricht, ist Gottes Kraft aus dieser Stille; der Zündfunke springt über zu einem gewaltigen Feuer; der Beginn der weltweiten Mission der Kirche, die in Jerusalem in der Klausur hinter verschlossenen Türen ganz still und unscheinbar beginnt. Diese Zeit der Pfingst-Novene will deshalb jetzt auch in unseren Gemeinden als hohe Zeit der Stille zur Besinnung und zum Beten verstanden sein: Pausenloses Agieren und rastloses Sich-Engagieren sind in unseren Gemeinden allein noch lange kein Ausweis für ein geisterfülltes Leben. Was sich bei all unserem Tun nicht aus verborgenen und stillen Quellen eines beständigen Betens speist, bleibt am Ende verlorene Liebesmüh, auf der kein Segen ruht. Was wir derzeit brotnötig brauchen, ist das geduldige Einüben von Stille und Schweigen, in der wir uns auf den geisterfüllten Ursprung von Kirche und Gemeinde neu besinnen, damit wir uns bei allem Diskutieren und Agieren nicht in immer neuen Sackgassen verlaufen: Die Sehnsucht danach ist allerorten groß, wie sich in unseren Kirchen und auch Klöstern, wo sie denn wirklich offen stehen, unübersehbar zeigt.