Zu Besuch in Düsseldorfer Shop Der Boom der Barbiere

Mit der modischen Rehabilitierung des Vollbarts erleben auch die Barbershops eine Renaissance. Rund 500 dieser geschmackvoll designten Männer-Refugien soll es bundesweit geben. Ein Besuch in "Hagi's Barbershop" in Düsseldorf.

 Shamsedin Rada (r.), kurz „Hagi“ genannt, widmet sich in seinem Düsseldorfer Barbershop dem Kunden Ertugrul Koc.

Shamsedin Rada (r.), kurz „Hagi“ genannt, widmet sich in seinem Düsseldorfer Barbershop dem Kunden Ertugrul Koc.

Foto: Bretz, Andreas

Der Bart muss ab, regelmäßig. Aber nie komplett, sondern millimetergenau gestutzt. Darauf legt Ertugrul Koc großen Wert. "Mein Bart wächst wie Unkraut", sagt der Meerbuscher. Alle zwei bis drei Wochen schaut der 23-Jährige deshalb bei "Hagi's Barbershop" in Düsseldorf vorbei und lässt sich von Shamsedin Rada, kurz "Hagi", die Gesichtsbehaarung trimmen. Koc steht nicht alleine da. Seit der Vollbart modisch rehabilitiert wurde, wächst auch die Szene derjenigen, die sich dessen Pflege widmen - die der Barbiere. "Friseure haben sich seit einiger Zeit spezialisiert auf den Trend zum Bart", sagt Jörg Müller, Geschäftsführer des in Köln ansässigen Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks. "Mit dem Ergebnis, dass Barbershops gerade eine Hochkonjunktur erleben."

Genaue Zahlen gibt es nicht. Vor rund 15 Jahren, also noch weit vor der Bart-Renaissance, habe der Verband aufgehört, Männer- und Damensalons getrennt aufzuführen. Schätzungen zufolge bieten bundesweit rund 500 Barbershops ihre Dienste an, Tendenz steigend. Selbst der Parfümerie-Konzern Douglas, dessen Produkte sich eher an eine weibliche Kundschaft richten, will sich verstärkt dem Boom-Thema Bart widmen. Chefin Tina Müller erzählte kürzlich im Gespräch mit unserer Redaktion, dass geplant sei, in einem der Douglas-Stores in Frankfurt einen Barbershop einzurichten. Im Erfolgsfall sollen weitere folgen. Für Jörg Müller eine logische Entwicklung: "Im Massenmarkt Kosmetik sind es vor allem die Produkte im Herrenbereich, die für Wachstum sorgen."

Vorbilder aus dem Ausland

Die Vorbilder für hiesige Barbershops finden sich vor allem in den USA und England - aber auch in den Niederlanden. Seaver Rada stieß bei seinem Studium in Groningen zum ersten Mal auf einen dieser speziellen Barbierläden. Es war ein Schlüsselerlebnis. Er überzeugte seinen Vater, der bis dahin drei normale Friseursalons parallel führte, sich auf das Wagnis Barbershop einzulassen. Das Ergebnis ist ein atmosphärischer Ort, der mehr bieten will als schnödes Haare- und Bartschneiden, nämlich ein Gesamterlebnis. Kunden sitzen auf teuren Takara Belmont Ledersesseln aus Kanada, schauen auf dunkles Holzmobiliar und erlesene Accessoires, alles wirkt gediegen nostalgisch, warm. Eher wie in einem Club. Wer hier den Whiskey und die Zigarre nicht weit wähnt, liegt richtig: Samstagsnachmittags werden bei "Hagi's" nicht nur Haare geschnitten, sondern auch Zigarren gepafft. "Das ist bei uns erlaubt, weil wir kein gastronomischer Betrieb sind", erklärt Seaver Rada.

Barbershops wollen also auch Männerrefugien sein, Rückzugsorte, in denen sich das Mannsein ungestört ausleben lässt. Diese Läden spiegelten eben ein gesellschaftliches Phänomen wieder, sagt Müller. "Vor zehn Jahren hätte sich auch niemand träumen lassen, dass eine Zeitschrift mit dem Titel ,Beef' erfolgreich ist." Alles, was menschlich verbindet, sei willkommen, beschreibt es Rada, der Kunde soll sich fühlen wie unter Freunden. In einigen Shops haben Frauen keinen Zutritt, in den meisten aber werden wie bei "Hagi's" beide Geschlechter verschönert. Wenn auch durch eine Wand getrennt, die Männer links, die Frauen rechts.

Kein billiges Vergnügen

Bei diesem ganzen Budenzauber im Barbershop - wo bleiben da die Bärte? In der Regel in den Händen von Spezialisten, die sich noch auf die Handwerkskunst verstehen, mit traditionellen Rasiermessern präzise zu hantieren. Zur Pflege zählen meist ein heißes Tuch, das aufs Gesicht gelegt wird, um die Poren zu öffnen, Rasieren, Stutzen sowie Bartöl und Bartbalsam für die perfekte Form. Selbstverständlich werden auch Haare geschnitten oder Augenbrauen gestutzt, wenn gewünscht. Billig ist das alles nicht, das Preisniveau sei oft sehr hoch, sagt Verbands-Geschäftsführer Müller, weil der Wettbewerb das eben hergebe. So koste ein Gesamtpaket schnell mal 40 bis 50 Euro. Müller: "Aber die Klientel will eben ein Friseurerlebnis einkaufen."

Bei "Hagi's" trägt selbstverständlich auch Chef Shamsedin Rada einen gleichermaßen üppigen wie gepflegten Vollbart. Aber erst, seit er vor rund zwei Jahren mit seinem Sohn den Barbershop eröffnete. Davor waren die Wangen glatt. "Heute ist der Bart sein Markenzeichen geworden", sagt Seaver und zwinkert. "Aber meine Mutter hasst ihn."

(RP)
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