Schreckenstaten in NRW Brutale Überfälle auf Senioren nehmen zu

Düsseldorf · In den vergangenen Wochen häufen sich in NRW Wohnungsüberfälle auf alte Menschen. Die Täter gehen dabei immer rücksichtsloser vor. Ermittler sprechen von sinnloser Gewalt. Für die Opfer ist die Erfahrung oft traumatisch.

Es ist ein erschreckendes Szenario: Fünf maskierte Männer klingeln in Düsseldorf an der Tür einer 79-Jährigen, drängen sich in die Wohnung und bedrohen die Frau massiv. Als sie ihnen Geld und Schmuck aushändigt, verschwinden die Täter. Was sich ungewöhnlich aggressiv anhört, ist kein Einzelfall. Ähnlich brutale Überfälle verzeichnet die Polizei in den vergangenen Wochen beispielsweise in Haan, Köln und Wuppertal.

In Haan wird eine 61-Jährige dreieinhalb Stunden lang von zwei Männern geschlagen und getreten, damit sie Verstecke preis gibt , in Köln eine 70-Jährige geknebelt und geprügelt, in Wuppertal eine 79-Jährige auch geschlagen und getreten. Niemals treten die Täter alleine auf, und alle sprechen laut Angaben der Opfer mit einem osteuropäischen Akzent.

"Das überrascht uns leider nicht", sagt Sebastian Fiedler aus dem Landesvorstand des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). "Vor einer Zunahme solcher Fälle haben wir gewarnt. Das Armutsgefälle in Europa ist eben so, wie es ist. Deshalb sehen wir die Öffnung der EU für Rumänen und Bulgaren ab 2014 mit großer Sorge." Vor allem, weil das Risiko für die Täter, gefasst zu werden, gering sei. Die Kosten-Nutzen-Rechnung, die die Verbrecher aufmachen, dürfe sich aber nicht lohnen. Fiedler: "Es muss teurer für sie werden — sie müssten damit rechnen, geschnappt und hart bestraft zu werden." Dem sei aber nicht so.

Das Landeskriminalamt hat die Daten für 2013 noch nicht vorliegen. Aber schon in den vergangenen Jahren ist bei der Zahl der Raubüberfälle in Wohnungen eine bemerkenswerte Entwicklung zu beobachten. Während die Zahl der Fälle in NRW von 804 auf 764 leicht rückläufig ist, steigt die Zahl der älteren Opfer. Wurden 2011 noch 166 Senioren Opfer eines Überfalls, waren es 2012 schon 228 — damit erhöht sich der Anteil der Senioren in der Opfergruppe von 17,7 auf 25,7 Prozent. Woran das liegt, ist unklar. "Es kann sein, dass es Täter gibt, die einem gewissen modus operandi folgen", sagt LKA-Sprecher Frank Scheulen.

Momentan stehen die Ermittler den Überfällen eher hilflos gegenüber. Obwohl auch sie eine veränderte Situation beobachten wie etwa der Wuppertaler Oberstaatsanwalt Wolf-Tilmann Baumert. "Bei dem Überfall auf die 79-Jährige haben die Täter die Frau fortwährend geschlagen und getreten — also vollkommen sinnlos Gewalt angewendet. Das Maß der Brutalität ist deutlich gestiegen." Warum das so ist, lässt sich schwer sagen. Die Opferhilfe Weißer Ring verzeichnet bei Straftaten generell eine neue Qualität der Gewalt. Es werde brutaler agiert, sagt Sprecher Veit Schiemann, Rücksichtnahme gebe es kaum. "Die Hemmung ist weg", so Schiemann. Dies würde auf alle möglichen Tätergruppen zutreffen. "Wer so vorgeht, der stammt mutmaßlich aus einem völlig kaputten Umfeld", sagt BDK-Mann Sebastian Fiedler.

Für die Opfer derart rücksichtsloser Überfälle ist der Verlust der Wertsachen meist das geringste Problem. Ihr Sicherheitsgefüge sei in Frage gestellt, erklärt Schiemann, sie verbarrikadieren sich, können die Wohnung nicht mehr verlassen. "Die Folge ist oft die soziale Isolation", so Schiemann. Der Weiße Ring bietet Hilfsangebote, um so eine Krise zu überwinden. Dabei gelte: Je früher beratend eingegriffen werde, desto schneller nehme der Mensch die Hilfe auch an.

Besser ist es jedoch, es den Tätern von vorneherein möglichst schwer zu machen. Lutz Türk ist bei der Polizei Düsseldorf für die Seniorenberatung zuständig. Regelmäßig informiert er etwa in Seniorenclubs über sinnvolle Präventionsmaßnahmen. "Es ist banal, aber: Man sollte grundsätzlich keine Fremden in die Wohnung lassen", lautet seine erste Grundregel. Schützen könnten sich alte Menschen etwa, indem sie ihre Türen durch ein Kasten-Bügel-Schloss oder eine Türklinkenkette sichern. Da normale Täter nicht mit Gewalt vorgehen, halte das viele ab.

Gelangen Räuber in die Wohnung, sollte man wenn möglich flüchten oder, geht das nicht, sich defensiv verhalten. Oft geht es bei der Gewaltanwendung aber gar nicht ausschließlich darum, Beute zu machen. "Es soll auch Macht ausgeübt werden", sagt Schiemann. Für den BDK erhöht das die Notwendigkeit, diese Verbrecher zu fassen. Deshalb müsse etwa die Buchführungspflicht für Beutestücke wieder eingeführt werden, um darüber an die Täter zu kommen. Fiedler: "Dafür brauchen wir mehr und besser ausgebildetes Personal."

(RP)
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