Düsseldorf Das Rheinland feiert die Tour de France

Düsseldorf · Zum ersten Mal seit 30 Jahre fand der Grand Départ wieder auf deutschem Boden statt - und die Region feierte den Radsport.

Es regnete zeitweise in Strömen, doch das hat einen Rheinländer noch nie davon abgehalten, ein Fest zu feiern. So ist es auch bei der ersten Etappe in Düsseldorf am Samstag: Rund eine halbe Million Menschen schauen sich nach Angaben des Veranstalters das Zeitfahren über 14 Kilometer durch die Innenstadt an. Die Organisatoren haben auf mehr Zuspruch gehofft, zeigen sich aber angesichts der Umstände zufrieden. Radfans aus der ganzen Welt sind angereist und feuern die Fahrer an der Strecke an. So wie Paul Craik. Der Mann aus Vancouver ist mit seiner Familie gekommen. "Ich liebe es Rad zu fahren. In Kanada wird die Tour nie starten, also musste ich nach Düsseldorf", so Craik, der die Urlaub mit Besuchen bei Familie und Freunden verbindet.

Die zweite Etappe mit Ziel Lüttich über 203,5 Kilometer beginnt ebenfalls in Düsseldorf und wird bei trockener Witterung zu einem Volksfest, das 700.000 bis 800.000 Besucher anzieht. Auch in den weiteren Tourstädten sind die Straßen von Menschen gesäumt: Mettmann hat mit 15.000 Gästen gerechnet, gekommen ist die doppelte Zahl. Auch in Erkrath und Ratingen ist das Interesse groß. "Eine tolle Werbung für unsere Stadt. Alle waren restlos begeistert", bilanziert Ratingens Bürgermeister Klaus Pesch.

Besonders in den Städten stellen viele Anwohner Grills und Bierbänke raus. Zu Bier, Rotwein, Baguette oder Käse feiern sie ein Nachbarschaftsfest. Es gilt das rheinische Motto: Eine Tour-Etappe vor der Haustür kennen wir bislang noch nicht, aber wir gehen einfach hin! Häuser sind mit Fahnen geschmückt, Besitzer von Wohnungen an der Strecke sind beliebte Gastgeber - ganz so wie beim Karneval. Und einige haben auch ihre Kostümkisten geplündert. So wie Michael Domhan und Jörg Zimmer, die als französische Gendarmen in Meerbusch unterwegs sind. "Oh, là là, les Gendarmes de St. Tropez!", rufen einige Animateure in den Werbefahrzeugen.

Deren Karawane, die rund zwei Stunden vor dem Feld über die Strecke rollt, ist für viele Besucher eher gewöhnungsbedürftig. Sie fährt manchen schlicht zu schnell, andere bemängeln, dass es nicht viel zu fangen gibt. Das ist halt kein Karnevalszug, entgegnen die Tourkenner. In Frankreich fährt der Tross zu lauter Musik und im selben Tempo wie die Fahrer über die Strecke. Und wenn es gerade mal nicht regnet, gibt es vom Wagen einer Wasser-Marke ausgerechnet eine Dusche aus dem Schlauch. "Immerhin war es Vittel und kein Regen", bemerkt ein Tour-Besucher in Düsseldorf-Heerdt und trocknet sich das Gesicht.

An der Landstraße von Neuss nach Kaarst-Büttgen haben sich die ersten Fans schon am frühen Morgen postiert. Heike Quildies und ihre elfjährige Tochter Eva haben es sich mit blauen, weiß, roten Hockern und Frankreich-Fähnchen vor der Braunsmühle gemütlich gemacht. "Wir wollen etwas von den Fahrern sehen, deshalb haben wir uns lieber abseits des Getümmels positioniert", sagt Heike Quildies. Dort tobte das "Tour hautnah"-Fest für, bei dem sich viele Sport-Legenden wie der Niederländer Joop Zoetemelk den Fragen des Büttgener Tour-Botschafters Udo Hempel. stellen. In Korschenbroich ist sogar der letzte deutsche Tour-Sieger zu erleben. Jan Ullrich gewann 1997, seine Dopingvergangenheit überschattet den Erfolg. Aber nicht in Korschenbroich: "Wer Fragen zu Doping hören will, hebe die Hand", sagt die Moderatorin. Kein Finger geht in die Luft. Auch bei der Autogrammstunde fällt kein kritisches Wort. Die Fans reichen Ullrich Kinder für Fotos, eine ältere Dame fällt ihm spontan in die Arme.

In Neuss ist die Tour sogar erfolgreicher als der Karneval: Das Rennen mobilisiert mehr Menschen, so schätzt Bürgermeister Reiner Breuer, als der Kappessonntagszug. Und der zieht stets rund 100.000 Schaulustige an. Polizei und Rettungsdienste melden keine besonderen Vorkommnisse in Neuss, und auch anderswo bleibt es ruhig. Das Sicherheitskonzept funktioniert, alle sind gut über Sperrungen informiert, Verkehrsbetriebe haben zusätzliche Kapazitäten bereitgestellt. Und viele Leute sind mit dem Rad unterwegs.

Auch Jürgen Fuchs und Dirk Holzer aus Köln-Rath haben sich mit dem Rad auf den Weg gemacht. In Neuss schauen sie sich die Durchfahrt an. Die Rückreise treten sie mit einem besonderen Souvenir an: Jeder sichert sich eine der neonfarbigen Tafeln, mit denen die Tourstrecke von den Veranstaltern ausgeschildert worden ist. Dafür kann man schon einmal 120 Kilometer am Tag im Fahrradsattel sitzen.

In Mönchengladbach gibt es die einzige Sprintwertung während der Etappe. Dort sind die Plätze gut gefüllt, in anderen Teilen der City wäre noch Platz für Radsportbegeisterte. Eigentlich wollten Bernd und Brigitte Büning die Tour am Samstag in Düsseldorf verfolgen. "Aber da hat es so geregnet - da haben wir uns entschieden, am Sonntag in meine Geburtsstadt Mönchengladbach zum Gucken zu fahren", sagt der Mann, den es mit seiner Frau nach Herne verschlagen hat. Und steht dort auch wieder im Regen . . . Dafür sind beide genau richtig gekleidet: In den Farben der französischen Tricolore jubeln sie den Sprintern auf der Bismarckstraße zu. "Ich hätte nie im Leben gedacht, dass ich so etwas mal in meiner alten Heimatstadt erleben würde."

Der kleine Luke wird sich an diesen besonderen Tag nicht erinnern können. Aber der wenige Monate alte Junge, der mit Vater Ben Burchert an der Strecke ist, hat schon jetzt ein Faible für Räder. Die Familie wohnt direkt an der Strecke. "Wir haben uns total auf die Tour gefreut, für Mönchengladbach ist das einfach ein tolles Event", sagt Ben Burchert. "Wenn man sieht, was hier los ist, dann denkt man nicht mehr an die wenigen, die meckern, weil sie an dem Tag nicht vor der Tür parken können." Texte: angr, arl, dagi, kle, nau, tino, wie

(RP)
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