Köln Der Kölner Krawall-Tag im Protokoll

Köln · Die Polizei hat eine Ermittlungskommission gegründet. Einige Journalisten wurden von den Neonazis und Hooligans gezielt attackiert und verletzt. Trotz Verstößen gegen die Versammlungsordnung brach die Polizei die Demo nicht ab.

Es ist 15.35 Uhr, als die Demonstration in Köln erstmals eskaliert. Die Hooligans und Neonazis attackieren an der Turiner Straße ein Wohnhaus, in dem Anhänger eines türkischen Fußballvereins auf den Balkonen stehen. Die Polizei wird später sagen, dass zunächst die Türken den Demonstrationszug mit Pyrotechnik beschmissen haben. Die Hooligans fühlen sich provoziert und stürmen das Gebäude. Es fliegen Flaschen. Nur mit großer Mühe kann die Polizei die Ausschreitung unterbinden. Die Demo wird fortgesetzt. Doch nur wenige Minuten später kommt es am Theodor-Heuss-Ring zu einer erneuten Eskalation. Die Chaoten werfen Böller und Flaschen, die zum Teil abgebrochen sind, auf die Polizisten. Die Beamten drängen den Mob mit Wasserwerfen zurück. "Das war gut so", stellt der Einsatzleiter der Polizei, Klaus Rüschenschmidt, anschließend fest. "Die Situation hat sich dadurch etwas beruhigt."

Um 16 Uhr löst der Versammlungsleiter die Demonstration auf. "Damit ist er uns zuvor gekommen", sagt Rüschenschmidt. Doch mit den Krawallen geht es weiter. Die Polizei drängt die Hooligans und Neonazis, die nach Köln gekommen sind, um gegen Salafisten zu protestieren, Richtung Breslauer Platz am Hauptbahnhof. Im Verlauf fliegen immer wieder Tische, Stühle und Steine. Auf dem Bahnhofsvorplatz werfen Hooligans einen Mannschaftswagen der Polizei um, der dort als Absperrung gestanden hat. Gegen 18 Uhr beruhigt sich die Lage allmählich. Auf den Gleisen kommt es allerdings noch bis weit in die Abendstunden vereinzelt zu Auseinadersetzungen zwischen Polizei und Hooligans. Auch in Zügen wird randaliert. Zugbegleiter melden mehrere Zwischenfälle. Die vorläufige Bilanz der Straßenschlacht: 49 verletzte Polizisten, 17 Festnahmen, 57 staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen Neonazis und Hooligans wegen Landfriedensbruchs. Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers erklärt: "Das war ein schwieriger und harter Einsatz."

Doch die Aufarbeitung des Krawall-Tages hat gerade erst begonnen. "Wir haben eine Ermittlungskommission gegründet, die alles genau unter die Lupe nehmen wird", betont Albers. Im Zentrum der Ermittlungen steht die Frage, warum die Versammlung nicht schon eine Stunde vor Beginn der Eskalation um 15.35 von der Polizei abgebrochen worden ist. Zu diesem Zeitpunkt, so räumt auch die Polizei ein, hatten viele Neonazis bereits gegen Auflagen verstoßen, indem sie mehrfach laut und deutlich "Heil Hitler" und andere verfassungsfeindliche Parolen riefen, Flaschen sowie Knallkörper warfen und gegen das Alkoholverbot verstießen. "Ich habe mich aber entschieden, die Versammlung nicht abzubrechen", erklärt der Einsatzleiter Klaus Rüschenscheidt. Angemeldet hatte die Versammlung ein Lokalpolitiker aus Mönchengladbach, der dort für die rechtspopulistische Partei "Pro NRW" im Stadtrat sitzt.

Im Zuge der Ermittlungen will die Polizei auch die Übergriffe auf Journalisten klären. Eine Fotografin berichtete etwa, dass sie von Hooligans attackiert und neben ihr ein Kameramann zusammengetreten worden sei. Die Polizei, so sagt sie, hätte nicht eingegriffen, sondern ihr stattdessen gesagt, dass sie selbst Schuld daran sei, wenn sie auf so eine Versammlung gehe. Andere Journalisten berichten über ähnliche Vorkommnisse. "Wir werden das aufarbeiten", so Albers

Als es dunkel geworden ist in Köln und sich die Situation entspannt hat, schallen plötzlich Klavierklänge über den Bahnhofsvorplatz. An der Stelle, wo sich keine Stunde vorher Hooligans mit der Polizei eine Straßenschlacht geliefert haben, spielt Davide Matello (32) auf seinem Piano den Hit "Atemlos" von Helene Fischer. Selbst die Polizisten, die noch aus Sicherheitsgründen geblieben sind, trauen ihren Ohren nicht. Mit dem Lied kehrt Ruhe ein - Köln hat den Krawall-Sonntag überstanden.

(RP)
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