Frechen Der König der Kostüme

Frechen · Mit Beharrlichkeit und Ehrgeiz hat Herbert Geiss den Kostümhändler Deiters aus Frechen zum größten des Landes gemacht. Ganz anders als sein Cousin Robert Geiss ("Die Geissens") verbindet der 34-Jährige Spaß und seriöses Geschäftsgebaren.

Spaß ist für Herbert Geiss ein knallhartes Geschäft - aber auch eine Verpflichtung. Der 34-Jährige hat den Kostümhändler Deiters zu dem gemacht, was er heute ist: Marktführer in Sachen Verkleidung. Schätzungen zufolge liegt der Jahresumsatz, der in den bislang 23 Filialen bundesweit erwirtschaftet wird, im zweistelligen Millionenbereich; allein die Firmenzentrale in Frechen bietet mehr als 2000 Kostüme und 20.000 Accessoires. Das "größte Karnevalskaufhaus der Welt" soll es sein, wirbt das Unternehmen vollmundig. Weltmachtsansprüche sind Firmenchef Geiss nicht fremd, zumindest, wenn sie sich auf den Handel mit Mummenschanz beziehen. "Irgendwann werden wir sicher auch im Ausland Kostüme anbieten", sagt er. "Überall dort, wo es verkleidungswillige Jecken gibt."

Die Expansion des Unternehmens ist untrennbar mit der Person Herbert Geiss verknüpft. Als er 2003 die Leitung der Firma von seinem Vater übernahm, war er gerade mal 19 und noch in der Ausbildung. Überraschend kam der Schritt nicht, es war immer der Wunsch des Vaters gewesen, dass sein Sohn das Steuer übernimmt. "Dennoch musste ich sehr früh schwimmen lernen", sagt Geiss. "Und aus dem Becken führte keine Leiter heraus." Um im Bild zu bleiben: Der junge Chef wagte sich sofort in unsichere Gewässer, weil er den Betrieb, der 50 Prozent des Umsatzes mit Spielwaren machte, rein auf die Kostümschiene setzte. Auf ein saisonales Thema also. Warum? "Ich habe mir die Zukunft halt im Verkleidungssegment ausgemalt."

Geiss vermittelt den Eindruck eines Mannes, der weiß, was er will. Der das Risiko, das er eingeht, genau abschätzt. "Ich bin schon ein Grenzgänger, aber ich setze nicht alles auf eine Karte", sagt er. Geiss wirkt überlegt, sortiert, ernsthaft. Als habe er für den Spaß, den er verkauft, wenig Zeit. Hat er auch nicht, vor allem zwischen Oktober und Februar, wenn mit dem Karnevalsgeschäft 70 Prozent des Umsatzes eingefahren werden. Den Rest macht Deiters übers Jahr mit Kostümen etwa für Halloween-, Mallorca- oder Junggesellenpartys. Fleiß nennt er als Basis seines Erfolgs, man kann es auch gesunden Ehrgeiz nennen. "Ich bin immer der Erste und der Letzte im Laden gewesen, das zeichnet mich aus."

Als Kaufmann alter Schule bezeichnet sich Geiss, und man weiß sofort, was er damit meint. Vertrauensvoll, ehrlich mit Partnern umgehen, unbürokratisch Geschäfte machen. "Mit mir können Sie einen Vertrag per Handschlag schließen, das gilt", sagt er. So, wie er da sitzt, Maßanzug, Einstecktuch, Krawatte, nimmt man ihm den seriösen Geschäftsmann sofort ab. Geiss verkleidet sich nicht, er ist so, wie er sich gibt, authentisch. "Ziehen Sie meinetwegen zehn Prozent ab, aber so bin ich auch privat."

In seiner Freizeit ist Geiss früher gerne mit seinem Porsche über die Rennstrecke gefahren. Unfallfrei. Weil er sich fahrerisch nie überschätzt und das Material geschont hat. Steuern mit Augenmaß, das gilt auch fürs Unternehmen. Geiss räumt ein, Glück gehabt zu haben. Allerdings gehöre dazu, Rückschläge wegzustecken und Möglichkeiten zu nutzen. "Einen Mann misst man an seinen Taten, nicht an seinem Reden", zitiert er seinen Vater. Und so überlässt Geiss wenig dem Zufall, fährt regelmäßig unangemeldet die Deiters-Filialen in Deutschland ab, inspiziert die Läden, spricht mit den Angestellten. Nicht vorrangig, um sie zu kontrollieren. "Wenn die Mitarbeiter nicht zufrieden sind, kann der Laden nicht funktionieren", sagt er.

Geiss legt Wert auf die Bezeichnung Familienbetrieb. Im weitesten Sinne gehören dazu die 250 bis 300 Festangestellten, und von September bis Februar, im Hochbetrieb, weitere rund 400 Saisonkräfte. Zur Familie zählt auch Cousin Robert Geiss, bekannt aus der TV-Reality-Soap "Die Geissens" - nur dass Herbert Geiss mit diesem Zweig der Verwandtschaft nichts mehr zu tun hat. Und auch nichts zu tun haben will. Diese Form von Öffentlichkeit ist nicht sein Ding.

Überhaupt macht sich Geiss bei gesellschaftlichen Anlässen rar, ist als unüberhörbarer Kölner nicht mal Mitglied im Karnevalsverein. Das wäre ja so, als ob der Weihnachtsmann an Weihnachten mitfeiere, sagt er. Und wer das ganze Jahr auf Kostüme guckt, Trends nachspürt (aktuell: Steampunk) oder zu setzen versucht, der kann den professionellen Blick nicht ablegen, wenn er unter Kostümierten sitzt. Gleichwohl feiert Geiss mit, ist beim Rosenmontagszug auf der Deiters-Tribüne. Und in welchem Kostüm? "Keine Ahnung, das wird kurz zuvor entschieden. Ich muss mich da nach meiner Frau richten."

Überhaupt ist seine Gattin Rocsana der ruhende Pol in Geiss' Leben. Die wenige Freizeit, das sei vor allem Zweisamkeit, sagt er. Gemeinsam essen gehen oder daheim kochen zum Beispiel. "Das habe ich für mich entdeckt, dabei kann ich gut abschalten." Ab Mai steht er möglicherweise noch häufiger am Herd. Dann erwartet das Paar den ersten Nachwuchs. Geiss rechnet damit, wie er sagt, ab dann die Welt mit anderen Augen zu sehen. Zumindest höre er das von allen Seiten. Und was heißt das nun genau? "Da werde ich sicher das eine oder das andere Mal eine Stunde früher nach Hause gehen."

(RP)
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