Münster Die Kleinen müssen draußen bleiben

Münster · Bei Kommunalwahlen in NRW gilt die 2,5-Prozent-Hürde. Durften SPD, CDU und Grüne sie einführen?

Die erste Vertretung des Bürgers ist nicht der Bundestag, sondern der Gemeinde- oder Stadtrat. Dort beschließen ehrenamtliche Politiker, welche Kreuzung durch einen Kreisverkehr ersetzt oder wie der Vorplatz des Bahnhofs neu gestaltet wird. In den kommunalen Vertretungen steht das Leben vor der Haustür zur Debatte. Daher ist die Frage, wer in den Vertretungen sitzt (dazu zählen auch Kreistage, Bezirksvertretungen und die Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr), von enormer Bedeutung. Heute erörtert der Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen in Münster diese Frage.

Konkret geht es dabei um die 2,5-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen, die eine regierungsübergreifende Koalition aus SPD, CDU und Grünen 2016 in die Landesverfassung geschrieben hat. Sie regelt, dass in die lokalen Vertretungen nur Parteien oder Wählergemeinschaften einziehen dürfen, die mindestens 2,5 Prozent der Stimmen eingesammelt haben. 1999 hatte das Verfassungsgericht eine Fünfprozenthürde für verfassungswidrig erklärt, die bis dahin gut 50 Jahre lang galt. Weil bei den folgenden Wahlen immer mehr Gruppen in die Gemeinde- und Stadträte einzogen, entschied sich die frühere rot-grüne Landesregierung mit der CDU für eine Hürde von 2,5 Prozent.

Das Hauptargument der drei Parteien ist die Angst vor einer Zersplitterung - dem Trauma der Weimarer Republik. In der Gesetzesbegründung heißt es: "Die zunehmende Zersplitterung der Kommunalvertretungen beeinträchtigt nicht nur die Arbeitsabläufe, sondern gefährdet auch eine am Gemeinwohl orientierte Politik der kommunalen Volksvertretungen." Eine hohe Zahl an Einzelmandatsträgern kleiner Gruppen zerstöre die Handlungsfähigkeiten des Rates; Tagesordnungen und Sitzungen würden in einem "unvertretbaren Maß" in die Länge gezogen.

Acht kleinere Parteien haben gegen die Sperrklausel geklagt; sie sehen sich in ihrer Chancengleichheit gegenüber den größeren Parteien verletzt. Janbernd Oebbecke, Kommunalrechtler an der Uni Münster, hält die Sperrklausel für eine "ziemlich gewichtige Einschränkung des Wahlrechts". Den Ausgang des Verfahrens, bei dem morgen noch keine Entscheidung zu erwarten ist, hält er für offen. Dass ein Rat mit zehn oder mehr Fraktionen aber deshalb handlungsunfähig ist, hält er für fragwürdig. Im Gegensatz zum Bundestag müssen kommunale Vertretungen keine Regierung wählen - ein wesentliches Argument, weshalb die Fünfprozenthürde auf Bundesebene als rechtmäßig gilt. Die Verwaltungschefs, Bürgermeister oder Oberbürgermeister, werden direkt vom Volk gewählt.

(her)
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