Emmerich Drei Dörfer für Demenzkranke geplant

Emmerich · Nach niederländischem Vorbild sollen in NRW drei Demenzdörfer in Emmerich, Wesel und Hilden entstehen.

Wenn Demenzkranke die Unruhe packt, dann laufen sie oft einfach los — nur wohin, das wissen sie nicht. Im Dorf De Hogeweyk bei Amsterdam ist das kein Problem. Die verschachtelte Architektur schützt die Bewohner davor, sich zu verirren, weil sie letztendlich immer wieder an den Ausgangsort zurückkehren. De Hogeweyk ist ein sogenanntes Demenzdorf, das rund 150 Menschen ein Zuhause bietet und dazu alles, was sie sonst von ihrer Umgebung gewohnt sind: Cafés, Geschäfte, einen Friseur und einen Bäcker, ein Theater und ein Kino. In dieser geschützten Umgebung können die Kranken das erleben, was in ihrem alltäglichen Umfeld unmöglich geworden ist: Normalität.

Demenzdörfer gelten als innovative Pflegeform. Wissenschaftler und Politiker aus aller Welt interessieren sich dafür, in Hameln wurde soeben das bundesweit erste Demenzdorf eröffnet. Rund 50 Menschen sollen dort einmal leben. Auch in NRW sind drei ähnlich gelagerte Projekte geplant — in Emmerich, Hilden und Wesel. Alle orientieren sich an dem Vorbild. In Emmerich an der niederländischen Grenze hat ein deutscher Betreiber für dieses Vorhaben das Gelände einer ehemaligen Bundeswehrkaserne ins Auge gefasst. Auf einem Teil jenes etwa 30 Hektar großen Areals will er einen "Gesundheitswohnpark" schaffen, mit einer Ausbildungseinrichtung für Pflegekräfte, eventuell einem privaten Kindergarten, möglicherweise einem Ärztezentrum und dem Demenzdorf.

In Hilden soll das "Dorotheenviertel" entstehen, auf dem weitläufigen Gelände von "Haus Ahorn", einem Pflegeheim der Graf-Recke-Stiftung mit 119 Patienten. Dort sollen die Demenzkranken möglichst frei leben. Für die Graf-Recke-Stiftung mit Sitz in Düsseldorf ist das ein "Leuchtturmprojekt", sagt Pressesprecher Rolf Bleeker-Dohmen. Zwei Wohnbereiche testen bereits das Leben in den Wohngemeinschaften, erläutert Michael Ziegler, Leiter von "Haus Ahorn". Der Tagesablauf soll sich nicht mehr an den Erfordernissen der Pflege, sondern den Bedürfnissen der Bewohner und ihren Fähigkeiten orientieren.

"Möglichst 2015" soll der erste Ersatzbau stehen, sagt Bleeker-Dohmen. Die Um- und Neubau-Vorhaben sollen über fünf Jahre umgesetzt werden. Kosten: 30 bis 35 Millionen Euro. Die Recke-Stiftung hat die Sozialämter in Mettmann und Düsseldorf, den Landschaftsverband Rheinland sowie die LVR-Kliniken in Langenfeld und Düsseldorf als Kooperationspartner gewonnen. Im Kreis Wesel hat "pro homine" als Träger von neun Senioreneinrichtungen in Wesel, Emmerich, Rees und Voerde ebenfalls eine Art Demenzdorf geplant, etwa am Nikolaus-Stift in Wesel. Das sagt "pro homine"-Sprecher Gerd Heiming.

Aber nicht jeder ist von den Demenzdörfern begeistert. Pflegeexperten bemängeln den Ghetto-Charakter der Projekte, sagen, die Kranken würden dort nur isoliert. In Emmerich gibt es noch kein Finanzierungsmodell. Ein Platz in einer Demenzdorf-Wohngruppe dürfte nach Schätzungen 4000 bis 5000 Euro monatlich kosten, rechnet der Emmericher Bürgermeister Johannes Diks vor. Die Stadt will nicht auf Verlusten sitzen bleiben, wenn Senioren nach Emmerich ziehen und die öffentliche Hand als Kostenträger einspringen müsste. "Egal, ob es da jetzt um Zuschüsse von 100 oder von 1000 Euro pro Monat geht. Wenn das ein Dorf mit 60 Plätzen werden soll, kann man sich ausrechnen, was das bedeutet", stellte Bürgermeister Diks frühzeitig fest. Zwar haben die Eigentümer des Geländes ihm unverbindlich signalisiert, man werde sich Wege suchen, durch die die Stadt nicht belastet würde. "Aber vom Betreiber selbst habe ich das noch nicht gehört."

Der niederländische Investor Hans Beekman, der für die Entwicklung des Areals zuständig ist und den Kontakt zu dem Betreiber in spe geknüpft hat, hüllt sich in Schweigen, wie sich das Projekt "Gesundheitswohnpark mit Demenzdorf" finanziell tragen soll: Innerhalb der nächsten Wochen wolle man der Stadtverwaltung das Konzept präsentieren.

(RP)
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