Ekel Alfred ist einmalig

Die einstmals so erfolgreiche Fernsehserie "Ein Herz und eine Seele" von Wolfgang Menge läuft als Bühnenstück in der Komödie. Zu Beginn der Jubiläumsspielzeit gelingt ein kurzweiliger Abend mit einer vergnüglichen Zeitreise. Zwei glänzende Schauspieler stehen im Mittelpunkt.

Was war dieser Alfred Tetzlaff doch für ein Ekelpaket. Großmaul und bekennender Türkenhasser, Frauenverachter und reaktionärer Spießer. Er trug den Bart wie Adolf Hitler und Hosenträger über Unterhemden. Er hatte kein Benehmen, brachte nichts als Zoten und Stammtischparolen hervor – kurzum: Er war von üblem Charakter, ein nicht nur in den Siebzigern weit verbreiteter Männertyp. Dabei war der kleinwüchsige Angestellte nur eine Fernsehfigur, wohlkalkuliert und klischeehaft zusammengebaut von Drehbuchautor Wolfgang Menge. Der Autor umgab Alfred mit einer kleinen Kernfamilie, die er drangsalierte, wo er nur konnte, was diese indes nicht davon abhielt, ihm hier und da Paroli zu bieten. Immerhin wurde Ekel Alfred so berühmt, dass Postminister Horst Ehmke 1974 in einer Bundestagsdebatte den CDU-Politiker Alfred Dregger mit ihm verglich.

Dieser Alfred lebte in 25 Fernsehfolgen sein Ego aus und erheiterte Millionen Zuschauer mit seinen unmissverständlichen Botschaften. Nun ist er wieder da, als Bühnenfigur mit neuem Gesicht will er uns die alten Geschichten erzählen. Auch die schusselige Else, seine Ehefrau, die harmlose Tochter Rita und der voll in 68er-Protesthaltung entbrannte Schwiegersohn Michael spielen mit in der Theaterfassung, die jetzt Premiere in der Komödie hatte. "Silvesterpunsch" und "Silberhochzeit" heißen die beiden Episoden, die nahezu unverändert nachgespielt werden.

Die Zutaten sind wohldosiert nach dem Rezept von vor fast 40 Jahren: Da ertönt die Serien-Musik, die jeder kennt. Und wenn der Vorhang aufgeht, blicken wir ins kleinbürgerliche Heim der Tetzlaffs. Der Hausherr poltert in der Küche beim Punschkochen herum, seine Else kommt auf Schlappen daher, die für ihre Füße zu klein sind. Während sie unendlich viel Maggi in den Gurkensalat schüttet, reizt sie Alfred zu kleineren und größeren Gefechten. Ein Wort gibt das andere, der Ton ist rau. Tetzlaff machte das "Arschloch"-Sagen fernsehfähig. Schließlich spricht Else beharrlich von Bowle, während er ihr klarzumachen versucht, dass heißer Punsch nichts mit kalter Bowle zu tun hat. Nicht viel später sitzt die vierköpfige Kleinfamilie am Tisch, und Alfred kühlt seine Füße in der Kartoffelschüssel, die er sich vom Tisch genommen hat.

Seltsame Familienszenen spielen sich ab an diesem Silvesterabend in diesem konservativen Wattenscheider Zuhause. Es wird auf den Sozi-Kanzler Willy Brandt geschimpft, Kurt Kiesinger wird mit Henry Kissinger verwechselt. Und so geht es munter weiter durch die bundesrepublikanische Wirklichkeit jener Jahre – eine recht vergnügliche Zeitreise zumindest für diejenigen, die sich noch erinnern.

Jüngeren Menschen dürfte es schon schwerer fallen, die alten Bezüge in diesem Stück und deren Witz zu verstehen. Erfreulich ist das Spiel der beiden Hauptdarsteller. Sehr gut trifft Georg Troeger die von Heinz Schubert seinerzeit in Szene gesetzte Figur – wenn Alfred Tetzlaff auch einmalig ist, so gibt es hier doch ein ordentliches Bühnen-Double. Seine Else steht dem in nichts nach: Christiane Rücker ist so überzeugend wie ihre TV-Vorgängerin, geschmeidig und drollig, schusselig und charmant. Die jungen Leute bleiben dagegen ausgesprochen blass. Vielleicht war Diether Krebs einfach zu gut, als dass der schlaksige Tom Kneidel ihn ersetzen könnte. Und die junge Ariane Ott kommt nicht an die Lässigkeit von Hildegard Krekel heran. Das mindert den Gesamteindruck des kurzweiligen Abends in der Regie von Hans Theonies.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort