Düsseldorf Ermittlungspanne bei Wehrhahn-Anschlag

Düsseldorf · Die Wohnung des mutmaßlichen Täters wurde zunächst nur sehr oberflächlich durchsucht.

Bei den Ermittlungen zum Wehrhahn-Anschlag hat es offenbar direkt zu Beginn schwere Versäumnisse gegeben. So soll die Wohnung des mutmaßlichen Täters Ralf S., der seit vergangener Woche in Untersuchungshaft sitzt, zwei Tage nach dem Sprengstoff-Attentat am 29. Juli 2000 nur sehr oberflächlich vom Staatsschutz durchsucht worden sein. "Das ganze dauerte nur 45 Minuten. Das war nicht mehr als eine Stubenbesichtigung. Da ist etwas nicht richtig gelaufen", sagte der damalige Leiter der Ermittlungskommission "Acker", Dietmar Wixfort, gestern im parlamentarischen NSU-Untersuchungsausschuss im Düsseldorfer Landtag.

Der heute 58-jährige Kriminalbeamte ordnete deshalb für den 2. August 2000 eine weitere Durchsuchung der Wohnung des mutmaßlichen Täters an, sowie eine Durchsuchungen der Wohnung seiner Freundin, einer Gartenlaube und des Militaria-Laden, den S. betrieb. Aber auch dabei gab es eine Panne. "Wir hatten zunächst keinen richterlichen Durchsuchungsbeschluss, weil der Richter lange zögerte, ihn zu unterschreiben", sagte Wixfort. Dabei habe die Polizei damals schon einsatzbereit bei dem mutmaßlichen Täter "quasi vor der Haustür" gestanden - und musste dann stundenlang warten, bis der Beschluss vorlag. Dadurch sei wertvolle Zeit verstrichen. Wegen der Verzögerung war schon mehr Presse als Polizei vor Ort. Das war schon sehr abstrus und sehr unglücklich. Wir mussten Ralf S. deshalb sogar heimlich rausbringen", so Wixfort. Er könne nicht ausschließen, dass S. die Zeit genutzt habe, um mögliches belastendes Material verschwinden zu lassen. Bei der anschließenden Razzia beschlagnahmte die Polizei zwar "reichlich Gegenstände", aber tatrelevantes Beweismittel sei nicht darunter gewesen. "Ende 2001 waren wir mit unserem Latein am Ende. Ralf S. war ein möglicher Täter, wir konnten es ihm aber nicht nachweisen", so Wixfort.

Der heute 50-jährige Ralf S. war in der vergangenen Woche festgenommen worden. Er soll am 27. Juli 2000 am S-Bahnhof Wehrhahn mit einer selbstgebauten Rohrbombe ein Attentat aus Fremdenhass verübt haben. Dabei waren zehn Menschen, überwiegend jüdische Einwanderer aus Osteuropa, verletzt worden. Ein Metallsplitter drang in den Bauch einer Schwangeren und tötet ihr ungeborenes Baby. S. wird deshalb zwölffacher versuchter Mord vorgeworfen.

Die Ermittler waren 2014 wieder auf seine Spur gestoßen, nachdem er sich in einem Gefängnis in Castrop-Rauxel mit der Tat vor einem Mitinsassen gebrüstet haben soll.

Seitdem leitet der 50-jährige Kriminalhauptkommissar Udo Moll die Ermittlungen, der sicher zu sein scheint, dass S. ein Einzeltäter gewesen ist. "Wir gehen aber davon aus, dass es Mitwisser gegeben haben kann", sagte er gestern im Untersuchungsausschuss. Um die weiteren Ermittlungen nicht zu gefährden, wollte er sich aber nicht weiter dazu äußern. Er sei sich jedoch sicher, dass die Beweise gegen S. vor Gericht für eine Verurteilung ausreichen werden. "Sein Alibi bröckelt nicht nur; er hat gar keins mehr", betonte Moll. So sei seine damalige Freundin, die ihm ein Alibi gegeben hatte, inzwischen von ihrer Aussage abgerückt. Zudem gebe es einen weiteren Zeugen, der S. am Tatort gesehen haben will und ihn schwer belaste. Zu den damaligen Ermittlungspannen sagte Moll, dass er wüsste, dass da etwas nicht gut gelaufen sei. Aber er sei nicht dazu da, die damalige Arbeit zu bewerten.

(csh)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort