Zu Gast bei Freunden

RP-Chefredakteur Michael Bröcker sagt, warum der Ständehaus Treff so erfolgreich ist.

 Das Gespräch von Michael Bröcker mit Finanzminister Wolfgang Schäuble nahm eine unerwartete Wendung.

Das Gespräch von Michael Bröcker mit Finanzminister Wolfgang Schäuble nahm eine unerwartete Wendung.

Foto: Andreas Endermann

Ein Klaps auf die Schulter sollte mich aufmuntern. "Machen Sie sich nichts draus! War doch gut", sagte Wolfgang Schäuble und setzte sein berühmtes, verschmitztes Lächeln auf. Ich wusste, was er meinte. Kurz zuvor hatte mich der 73-Jährige auf der Bühne des "Ständehaus" ziemlich alt aussehen lassen. Der Finanzminister korrigierte mich bei einer Frage und ließ mich bei einer anderen süffisant ins Leere laufen. Ein Gespräch mit dem erfahrenen Polit-Profi ist eine Herausforderung.

Und doch war es ein guter Abend. Denn Schäuble hatte sichtlich Freude an seinem vierten Auftritt beim "Ständehaus-Treff". Er schätzt die Veranstaltung, kommt gerne nach Düsseldorf. So erzählte der CDU-Politiker erstmals öffentlich, dass er als Kanzleramtsminister unter Helmut Kohl seinen späteren Attentäter selbst aus einem ausländischen Gefängnis nach Deutschland geholt hatte. "Vergolten hat er's mir nicht so recht", kommentierte Schäuble. In diesem Moment hätte man im Publikum eine Nadel fallen hören können.

Darum geht es. Dieser Moment, in dem der Talk-Gast die Maske fallen lässt, als Mensch erlebbar wird. Nicht als Politiker oder Wirtschaftsführer. Darum kommen regelmäßig 550 Zuschauer. Sie wollen wissen: Wie tickt der wirklich? Manchmal gelingt das. Zum Beispiel als Ursula von der Leyen, sonst eine nüchterne Politikerin, auf der Bühne unter Tränen von ihrem verstorbenen Vater erzählte.

Oder als Cem Özdemir, der Grünen-Chef, seine restriktive Integrationspolitik mit der berührenden Zuwanderungsgeschichte seiner Eltern verknüpfte. Da hörte man im Saal später selbst Wirtschaftsliberale flüstern: "Der ist ja ganz anders, als ich dachte."

Oder der Auftritt von Altkanzler Gerhard Schröder, der 2015 leidenschaftlich seine Freundschaft zu Russlands Präsident Putin verteidigte und Kanzlerin Merkel kritisierte. Schröder ist eine Rampensau. Humorvoll, direkt, unkompliziert. Nur ein Glas Pils wollte er vor dem Gang auf die Bühne trinken. Dann sagte er: "Sie können mich alles fragen."

Für mich ist ein "Ständehaus- Treff" erfolgreich, wenn sich die Zuschauer auf dem Weg nach Hause über eine Aussage, eine Anekdote des Gastes unterhalten können, die sie berührt oder bereichert hat. Oder aufgeregt. Der Talk soll anregen. Impulse für Debatten geben, aber auch unterhalten. Meinen Job verstehe ich deshalb nicht nur als Fragesteller. Ich muss eine gute Atmosphäre für das Gespräch schaffen.

Der Gast sitzt nicht auf der Anklagebank. Ich bemühe mich deshalb auch, dem Gast nicht ins Wort zu fallen. Das gelingt nicht immer. Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki verlor sich auf der Bühne immer wieder in pastoralem Epos. Da muss man dann auch mal einen Kardinal stoppen. Undankbar, aber es funktioniert. Der Kölner Katholik hat mir verziehen. Er will wiederkommen.

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