Interview: Marlies Smeets und Udo van Meeteren Als Düsseldorf Hauptstadt wurde

Sie gehören zu den angesehensten Persönlichkeiten Düsseldorfs: Ehrenoberbürgermeisterin Marlies Smeets (80) und Udo van Meeteren (90), Ehrenbürger und engagierter Stifter. Wir trafen die beiden im Büro van Meeterens mit Blick auf den Hofgarten bei Kaffee, Schweineöhrchen und After Eight.

 Ehrenoberbürgermeisterin Marlies Smeets (80) und Ehrenbürger Udo van Meeteren kennen sich schon lange.

Ehrenoberbürgermeisterin Marlies Smeets (80) und Ehrenbürger Udo van Meeteren kennen sich schon lange.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Wann sind Sie sich zum ersten Mal begegnet?

Van Meeteren Wir kennen uns lange, schätzen und mögen uns sehr. Ich erinnere mich gut an den Empfang, den Frau Smeets als Oberbürgermeisterin anlässlich meines 70. Geburtstags im Rathaus gegeben hat. Sie hielt damals eine sehr persönliche Rede, die mich berührte.
Smeets Schon lange vorher als Bürgermeisterin und Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion habe ich Sie im Rathaus erlebt. Sie haben schon immer viel für diese Stadt getan. Als Oberbürgermeisterin habe ich es als Verpflichtung gesehen, Menschen wie Sie zu ehren.

Wo waren Sie, als die Alliierten 1946 Nordrhein-Westfalen gründeten und Düsseldorf zur Landeshauptstadt machten?

Van Meeteren Ich war bis 1948 in französischer Kriegsgefangenschaft und habe infolgedessen davon nichts mitbekommen. Meine Mutter hatte mir in einem ihrer Briefe kurz davon geschrieben, es hatte mich aber ehrlich gesagt in der damaligen Situation nicht sehr interessiert.
Smeets Ich war 1946 erst zehn Jahre alt. Die Leute hatten damals andere Sorgen, waren so froh, dass der Krieg vorbei war, und wollten ihren Status verbessern. Das Haus, in dem unsere Familie an der Ahnfeldstraße 21 gewohnt hatte, war zerstört und ist bis heute nicht wiederaufgebaut worden. Ich hatte den ganzen Krieg in Düsseldorf verbracht. Meine Mutter hatte nicht zugelassen, dass ich zur Kinderlandverschickung kam. Sie arbeitete bei Rheinmetall, Waffen drehen, wie man damals sagte. Mein Vater war an der Front, mein Bruder war neun Jahre älter als ich. Er fiel wenige Wochen vor Kriegsende, genau an meinem neunten Geburtstag.

Was für eine Stadt war Düsseldorf, als Sie 1948 aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrten, Herr van Meeteren?

Van Meeteren Kein Stein lag mehr auf dem anderen. Mein Elternhaus an der Goltsteinstraße war schwer beschädigt, von den Engländern beschlagnahmt und einigermaßen in Ordnung gebracht worden. Meine Familie war bis auf meine Mutter nicht mehr vorhanden.
Smeets Es war für die Familien sehr schwer, nach dem Krieg wieder Fuß zu fassen. Die Wohnungssituation war katastrophal. Die Kriegsrückkehrer waren teils schwer traumatisiert.

Wann hat das Leben in Düsseldorf wieder funktioniert?

Smeets Nach der Währungsreform hatten die Leute das Gefühl, dass es neu losgeht. Ich habe immer bewundert, was die Leute gemacht haben, um unsere Stadt wieder aufzubauen.
Van Meeteren Nach meiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft war ich aus beruflichen Gründen nur einige Zeit in Düsseldorf. Als ich 1952 aus den USA zurückkam, ging es hier richtig bergauf. Es herrschte ein ungeheurer Optimismus, eine Aufbruchstimmung, es wurde trotz aller Schwierigkeiten nicht gehadert.

Was war für Düsseldorf in den frühen Jahren mit dem Status Landeshauptstadt verbunden?

Smeets Die vielen großen Baumaßnahmen. Da wurde allen bewusst, dass das Land in die Stadt investierte und sie sich unglaublich entwickelte. Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre ging es los. Dreischeibenhaus, die Berliner Allee und der Tausendfüßler vom Stadtplaner Friedrich Tamms. Das wurde alles am Zeichenbrett entwickelt — wie heute leider manchmal auch noch. Mein Vater war im Stadtrat und Mitglied der Umlegungsbehörde, die Leute fair entschädigte, um bauen zu können.
Van Meeteren Wo dieses Haus steht, waren mehrere Grundstücke. Das ging auch hin und her mit der Umlegung. Für den Bau des Hauses hatte der Michel-Konzern die Bürohaus Pempelfort GmbH gegründet. Als deren Geschäftsführer habe ich so die Architekten Helmut Hentrich, Hubert Petschnigg und auch Friedrich Tamms kennengelernt. Das Gebäude war in 14 Monaten fertig, die Baugenehmigung bis zum Richtfest war mündlich erteilt worden. Damals gab es noch weniger Bürokratie.

Ist es für Düsseldorf Fluch oder Segen, Landeshauptstadt zu sein?

Smeets Natürlich ein Segen. Das ist doch etwas Gutes, man muss auch gar nicht diskutieren, ob Düsseldorf die richtige Stadt war. Hier waren die Firmen, die Manager, ein Flughafen, gute Verkehrsinfrastruktur und Kultur.
Van Meeteren Es war auch eine gute Entscheidung, dass der Landtag an den Rhein gekommen ist. Wir hatten über den Industriekreis für Auslandsverbindungen mehrfach alle Ministerpräsidenten zu Gast. Keiner hat sich je darüber beklagt, dass Düsseldorf Landeshauptstadt ist.

Aber das Fremdeln der Landesregierung mit der Landeshauptstadt gibt es doch bis heute ...

Smeets Das hat es natürlich schon immer gegeben, weil die meisten Minister und Abgeordneten morgens nach Düsseldorf anreisten und abends wieder wegfuhren. Klaus Bungert hatte sich deshalb als Oberbürgermeister immer bemüht, mit dem Landtag einen guten Kontakt zu halten. Das musst du pflegen, genauso die Beziehungen mit der Region. Das ist später leider vernachlässigt worden. Die Düsseldorfer dürfen nicht sagen, wir sind Landeshauptstadt und die Größten, sondern: Wir sind ein Teil von euch.

Die Alliierten wählten für Deutschland eine föderale Struktur. Ist die noch zeitgemäß?

Van Meeteren Nun ja. Bei ein paar Bundesländern wäre es kein Schaden, wenn sie fusionieren würden. Man könnte viel Geld sparen. Sie müssen aber auch bedenken: NRW hat 18 Millionen Einwohner, die Schweiz nur 7,8 Millionen. Das Land hat deshalb und wegen der traditionell überwiegenden Schwerindustrie ein riesiges Problem mit dem Strukturwandel.

Ist das Konstrukt aus Rheinland, Westfalen und Lippe zu künstlich?

Smeets Das ist ja so erst von den Engländern zusammengesetzt worden, ist also schon künstlich, auch wenn es inzwischen in Teilen zusammengewachsen ist. Aber die einzelnen Bevölkerungsgruppen sind viel unterschiedlicher, als die Briten vermutlich gedacht haben.
Van Meeteren Bei einem Rheinländer müssen Sie anders argumentieren als bei einem Ostwestfalen, um das gleiche Ergebnis zu bekommen.

Macht NRW genug für seine Landeshauptstadt?

Smeets Die Zusammenarbeit könnte verbessert werden.

Frau Smeets, Sie waren in Ihrem Leben an vielen Stationen die erste Frau. Wie partriarchalisch war NRW in den ersten Jahrzehnten?

Smeets Es gab völlig verkrustete Strukturen. Ich war an vielen Stellen als Frau die Bahnbrecherin, ob als Auszubildende bei der Rheinbahn oder als Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion. Da musste ich mir manche Sprüche anhören, habe aber den Rat meiner Mutter befolgt und weggehört. Ich habe gut beobachtet, abgeschaut und es später so gemacht, wie ich es für richtig hielt.

Denisa Richters und Uwe-Jens Ruhnau führten das Interview

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