Northrhine-Westphalia Das denkt das Ausland über NRW

Machen wir uns nichts vor: Wirklich bekannt ist unser Bundesland in der Welt nicht. Immerhin: Der rheinische Karneval hat es zu internationalem Ruhm gebracht, und Köln kennen auch die meisten.

RHENLANDET UND RUHROMRÅDET

VON ANDRÉ ANWAR, STOCKHOLM

Die Schweden haben im Allgemeinen keinen blassen Schimmer vom "Rhenlandet", wie das Rheinland in der Landessprache heißt, vom "Ruhrområdet", dem Ruhrgebiet, ganz zu schweigen. Schlechter Kleidungsgeschmack, Wurst, Technik und Autobahnen sind die Schlagworte, die den meisten noch zu Deutschland einfallen. Letztere nutzen sie im Urlaub vor allem dazu, um mit dem Auto schnellst möglich weiter gen Süden zu kommen.

"Rhenlandet das ist Westdeutschland, überhaupt nicht so cool wie Berlin", schreibt ein Kulturredakteur der Zeitung "Svenska Dagbladet" in einer Rezension der 2015 auf Schwedisch herausgegebenen Nachkriegsnovellen von Heinrich Böll. "Die Landschaft sind grüne Hügel, dazwischen liegen in Trauben zusammengewachsene Kleinstädte, die sich um größere gruppieren."

Auch in Reiseführern wird das Rheinland recht kurz abgehandelt. "Städte wie Aachen, Mainz und Trier sind Synonyme für ausufernde gotische Architektur und bekannte Namen der Weltgeschichte wie Gutenberg und Karl Marx", heißt es dort. Dann wird es schon sehr vage: "Aber das Rheinland, das sind auch Konzerte, Musicals und Bühnenschauen an ungewöhnlichen Orten wie auch Museen und Theater soweit das Auge reicht."

Immerhin taucht Köln ab und zu in den Gesprächen karrierebewusster Schweden auf. Dies vor allem, weil der derzeit weltweit kräftig expandierende schwedische Bezahl- und Rechnungsdienst "Klarna" dort seinen deutschen Sitz hat. Über das Ruhrgebiet wissen manche Schweden zumindest, dass es Deutschlands Fußballregion ist.

VOR ALLEM KARNEVAL

VON CHRISTINE LONGIN, PARIS

Der Kölner Dom und der Karneval - sie vor allem machen für die Franzosen Nordrhein-Westfalen aus. Nur knapp 50 Seiten widmet der Michelin-Reiseführer Deutschland dem Bundesland, deutlich weniger als Bayern, das mehr als 100 Seiten bekommt. Eine Erwähnung wert sind neben Köln noch Düsseldorf, Bonn, das Ruhrgebiet und natürlich Aachen, auf Französisch Aix-la-Chapelle genannt. Wer die Franzosen nach deutschen Städten fragt, bekommt oft die alte Kaiserstadt genannt, in der ja "ihr" Charlemagne, Karl der Große, herrschte.

Für eine Rundfahrt durch "Rhénaniedu- Nord-Westphalie" werden zweieinhalb Tage veranschlagt, nur halb so viel wie für Baden-Württemberg. Rheinische Spezialitäten wie Halve Hahn sind für die französischen Feinschmecker schwer auszusprechen, deshalb beschränken sich die meisten kulinarischen Tipps auf Sauerbraten, westfälischen Schinken und Kölsch.

Fasziniert schauen die Franzosen, die die Tradition kaum kennen, jedes Jahr im Frühjahr auf den Karneval auf der anderen Rheinseite - ein "streng reglementiertes Ereignis", wie der "Guide du Routard" schreibt. In diesem Jahr wurde über "le carnaval" besonders ausführlich berichtet, denn nach den Ereignissen der Silvesternacht stand auch in Frankreich Köln im Blickpunkt. Die großen Fernsehsender hatten extra ihre Korrespondenten dorthin geschickt, um in Straßenumfragen die Stimmung in der Bevölkerung zu erfassen.

DER THRILL DER WESTFÄLISCHEN EBENEN

VON JOCHEN WITTMANN, LONDON

Die erste Frage, die mir Briten stellen, wenn sie heraushören, dass ich Deutscher bin, lautet: Wo genau in Deutschland ich denn herkomme? Und wenn ich dann antworte: Northrhine-Westphalia, folgt ein leerer Blick. Und eine längere Pause, denn mit Nordrhein-Westfalen können die meisten Briten nichts verbinden. Das bevölkerungsreichste Bundesland, das nach dem Krieg ausgerechnet von den britischen Besatzern am 23. August 1946 gegründet wurde: Im Königreich ist es ein unbekanntes Wesen.

Wenn ich versuche zu erklären, dass mein Heimatort Haltern "rund zwei Stunden mit dem Auto östlich von Köln" läge, dann trifft das auf ein wenig mehr Verständnis. Köln hat man schon mal gehört, der Karneval, der Weihnachtsmarkt, leider in der letzten Zeit aber auch aufgrund der Ausschreitungen zu Silvester.

Ich habe zwei Freunde, die kennen Nordrhein-Westfalen recht gut, denn sie interessieren sich für Industrieästhetik. Sie schicken mir Weihnachtskarten mit Schwarzweiß-Aufnahmen von den Chemischen Werken Hüls. Aber der Großteil ihrer Landsleute, wenn sie denn überhaupt etwas von Nordrhein-Westfalen wissen, halten sich an den ersten Teil des Namens: Das Rheinland interessiert sie, der Kölner Dom, die Düsseldorfer Altstadt womöglich, aber weit weniger der Schick des Ruhrgebiets oder der Thrill der westfälischen Ebenen.

Die britischen Reiseführer über Deutschland spiegeln das wider. Nur der "Rough Guide to Germany" hat ein eigenes Kapitel über NRW. Allerdings erst auf Seite 610.

FRIEDRICH ENGELS AUS BARMEN

VON KLAUS-HELGE DONATH, MOSKAU

Sewernij Rejn Westfalija - auf Deutsch NRW - klingt auch auf Russisch ziemlich sperrig. Nur wenige können mit dem Landesnamen etwas anfangen. Stattdessen fahren sie lieber nach Köln und Düsseldorf, halten sich zu einer Stippvisite in Essen oder Dortmund auf, viele besuchen auch Bonn und Aachen noch. Die Reihenfolge entspricht der Popularität der Städte unter russischen Reisenden.

Niemand käme aber auf die Idee, in Nordrhein-Westfalen Urlaub zu machen! Dabei liegt das Reiseziel NRW bei russischen Deutschlandtouristen nach Bayern an zweiter Stelle, noch vor Berlin. Es wissen nur die wenigsten. Ohne die letzte Silvesternacht stünde es um den Bekanntheitsgrad "Sewernij Rejn Westfalias" noch schlechter.

Für Moskau ist klar: die römisch- germanische Zivilisation steht seit und in Köln vor dem Aus — nach mehr als zwei Jahrtausenden in Rheinnähe - und das ohne Moskauer Zutun. Glücklicherweise gibt es aber noch das Energiezentrum Gazprom und dessen unverbrüchlichen Sponsorenbund mit Schalke 04.

Auf die Frage, was er mit NRW verbinde, meinte in einer nicht repräsentativen Umfrage nur ein einziger Russe: "Wuppertal!" Die Schwebebahn? "Nein, Friedrich Engels aus Barmen". In vielen russischen Städten ist noch eine Straße nach dem Theoretiker des Marxismus und Schöpfer des Dialektischen Materialismus benannt. Zwischen 1917 und 1991 war dies Russlands Leitidee mitten aus dem industriellen Herzen Nordrhein Westfalens. Enger kann die Beziehung gar nicht sein.

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