Kamp-Lintfort Das letzte Gefecht um BenQ

Kamp-Lintfort · Der 28. September 2006 war ein schwarzer Tag für die rund 40.000 Einwohner zählende Stadt Kamp-Lintfort. Der taiwanesischer Handyhersteller BenQ, nach dem Bergbau zweitgrößte Arbeitgeber in der Stadt, musste Insolvenz anmelden. Die Nachricht schlug wie eine Bombe ein. Rund 1700 Mitarbeiter im Kamp-Lintforter Werk standen unter Schock. 88 Tage lang bangten sie um ihre Jobs und hofften, dass die Unternehmenspleite abgewendet werden könnte - vergebens.

Am 30. Januar 2007 wurde im Werk an der Südstraße das letzte Handy gefertigt. Der Produktionsstandort wurde stillgelegt. Bis dahin hatten die Beschäftigten 13 Wochen um ihre Arbeitsplätze gekämpft und deutschlandweit auf ihre Situation aufmerksam gemacht. Den Menschen schlug eine große Welle der Solidarität entgegen: Politiker, Künstler und viele Kamp-Lintforter schlossen sich den Demonstrationen an. Das Zelt der Solidarität, das vor dem Werk an der Südstraße aufgebaut war, wurde zum wichtigsten Anlaufpunkt.

Die Mahnfeuer brannten Tag und Nacht. Die Frauen und Männer fanden Trost und Unterstützung, erfuhren neue Nachrichten, die der Insolvenzverwalter dem Betriebsrat mitgeteilt hatte, und schmiedeten Pläne für den Arbeitskampf. Der Handyhersteller mit seinen Standorten in Kamp-Lintfort, Bocholt und München musste einen Insolvenzantrag stellen, nachdem der BenQ-Mutterkonzern in Taiwan Zahlungen an die Tochter eingestellt hatte. Das war ein Jahr, nachdem Siemens seine verlustträchtige Handysparte an das taiwanesische Unternehmen abgegeben hatte.

Die Wut der Kamp-Lintforter Beschäftigten richtete sich gegen Siemens. Sie warfen dem Unternehmen vor, nicht richtig über den Betriebsübergang seiner Handyproduktion auf BenQ-Mobile informiert zu haben. Der Übergang an BenQ hatte ihnen bereits viel abgefordert: Sie hatten auf 20 Prozent ihres Gehaltes verzichtet, längere Arbeitszeiten in Kauf genommen und die Beschäftigungsgarantie des Siemens-Konzerns verloren.

Gewerkschafter, Betriebsrat und Beschäftigte forderten damals, dass Siemens Verantwortung übernimmt. Mit Demonstrationen und Aktionen sorgten sie dafür, dass BenQ und Siemens nicht aus den Schlagzeilen gerieten. Viele Beschäftigte legten Widerspruch gegen den Betriebsübergang auf BenQ ein, einige klagten sogar gegen Siemens.

Die wochenlangen Proteste der BenQ-Beschäftigten brachten ihnen einen Erfolg ein: Sie erkämpften sich die Gründung einer Transfergesellschaft, so dass niemand ins Bodenlose fallen würde. Siemens sagte finanzielle Hilfen zu. Die große Hoffnung, dass ein Investor das Kamp-Lintforter Werk übernehmen würde, erfüllte sich aber nicht.

Nachdem 2012 auch das Bergwerk West geschlossen worden war, sind heute die Stadtverwaltung und das St.-Bernhard-Hospital die größten Arbeitgeber in Kamp-Lintfort. Die Stadt blickt aber nach vorne. Es gelang die Ansiedlung eines Teilstandortes der Hochschule Rhein-Waal.

Und 2020 wird Kamp-Lintfort die Landesgartenschau auf dem Zechenareal und am Kloster Kamp ausrichten. Sie soll der grüne Motor der Stadtentwicklung sein.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort