Leverkusen Sauber: SPD spült Gläser in Beuys-Badewanne

Leverkusen · Als der Ortsverein Alkenrath seine Gläse in der Wanne spülte, trafen künstlerische Elite und Arbeiterklasse plastisch aufeinander.

 Der am Niederrhein geborene Künstler Josef Beuys versuchte in München die Kunst-Badewanne wiederherzustellen.

Der am Niederrhein geborene Künstler Josef Beuys versuchte in München die Kunst-Badewanne wiederherzustellen.

Foto: Stadt Krefeld

Wissenschaftliche Arbeiten im Fach Geschichte müssen keineswegs immer eine trockene Angelegenheit sein. In der Arbeit, mit der die damals 13 Jahre alte Leverkusenerin Annika Tarnowsky 2011 den "Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten" gewonnen hat, geht es sogar ausgesprochen feucht-fröhlich zu. Titel: "In städtischen Museen sollte man sein Bier vorsichtigerweise direkt aus der Flasche trinken."

Diese Moral bezieht sich auf den wohl größten Kunstskandal, der sich je innerhalb der Leverkusener Stadtgrenzen abgespielt hat - die Zweckentfremdung der berühmten Beuys-Badewanne.

Die vom Düsseldorfer Kunstpapst Joseph Beuys mit Heftpflaster, Mullbinden, Fett und Kupferdraht bearbeitete Säuglingsbadewanne hatte der Kunstsammler Lothar Schirmer als Leihgabe zu einem wichtigen Bestandteil der Wanderausstellung "Realität - Realismus - Realität" gemacht. 1973 sollte sie auch im Leverkusener Museum Schloss Morsbroich gezeigt werden, war jedoch zunächst im Magazin eingelagert worden. Dort entdeckten sie am 3. November 1973 Hilde Müller und Marianne Klein, zwei Mitglieder des SPD-Ortsvereins Leverkusen-Alkenrath, der an diesem Abend im Schloss eine Party feierte.

Die Damen suchten eine Schüssel zum Gläser spülen und fanden die beklebte und scheinbar verdreckte Badewanne: "Wir dachten, das alte Ding könnten wir schön sauber machen und benutzen", erinnern sie sich: "So wie die aussah, konnten wir sie nicht gebrauchen. Deshalb haben wir die Wanne geschrubbt."

Es wurde die teuerste Putzaktion in der Geschichte der Leverkusener Genossen und ein veritabler Kunstskandal dazu. Die Stadt Wuppertal als offizieller Leihnehmer für die Wanderausstellung wurde durch Schirmer verklagt und 1976 vom Oberlandesgericht Düsseldorf in zweiter Instanz zu 58.000 Mark Schadenersatz verurteilt.

Doch das sind nur die spröden Fakten. Walter Mende, ehemaliger Oberbürgermeister von Leverkusen und langjähriger Chef der SPD-Ratsfraktion, weiß, was der Badewannenskandal ausgelöst hat. "Der Fall wurde über Jahre zum Thema juristischer Arbeiten", erzählt der Rechtsanwalt, der zwar "heilfroh" ist, damals keine führende Rolle bei den Genossen gespielt zu haben, dem Skandal heute aber Positives abgewinnen kann. "Schöner und plastischer lassen sich die Gegensätze zwischen künstlerischer Elite und Arbeiterklasse kaum auf den Punkt bringen", sagt Mende.

Das fand offenbar auch Bundespräsident Christian Wulff, als er Schülerin Annika Tarnowsky, die diesen Gegensatz herausgearbeitet hatte, 2011 auszeichnete. Und die Wanne? Die versuchte Beuys 1977 in München als Kunstwerk wiederherzustellen. Eine Schrifttafel trug den Vermerk, in dem Gefäß sei einst der Säugling Joseph Beuys gebadet worden. Der Satz wurde von Unbekannten ergänzt: "offenbar zu heiß".

(RP)
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