Kempen So wurde Kempen zur Perle am Niederrhein

Kempen · Heute ist Kempen eine der attraktivsten Städte am Niederrhein, denkmalwürdig in Bürgersinn und Städtebau. Mit einem historischen Stadtkern-Rundling von 500 Metern Durchmesser und viereinhalb Kilometer Fußgängerwegen, dem wohl längsten Netz in NRW. Die Wege führen vorbei an schmucken Bürgerhausfassaden, an urigen Kneipen und gemütlichen Cafés, an rund 190 Geschäften, und alles wirkt wie zum Vorzeigen aus einem Stadtprospekt.

 Auch von oben ist die Kempener Altstadt sehenswert.

Auch von oben ist die Kempener Altstadt sehenswert.

Foto: Kaspar Müller-Bringmann

Denn der heimelig-kleinstädtische Charakter ist Kempen erhalten geblieben. Die Dominanten bilden wie ehedem Propsteikirche, Rathaus und Markt. Vor den Toren der Altstadt wurde der Gürtel der einstigen Wall- und Grabenanlagen wieder freigelegt und in eine zum Spazieren und Entspannen einladende Grünanlage verwandelt. So erhielt der mittelalterliche Stadtkern sein geschlossenes Erscheinungsbild zurück.

Motor der Sanierung war Kempens damaliger Stadtdirektor Klaus Hülshoff, von 1960 bis 1990 im Amt. "Anfang der 60er Jahre sah es hier katastrophal aus", hat sich Hülshoff später erinnert. "Wir liefen Gefahr, eine tote Stadt zu werden." Zahlreiche Gebäude waren einsturzgefährdet. Verfallene Anbauten füllten die Innenhöfe, löchriges Ruckelpflaster bedeckte die engen Straßen; sie erstickten im Autoverkehr. Lärmende Handwerksbetriebe und Kleinfabriken, dazu sieben Bauernhöfe verstärkten den Eindruck des zerrissenen Stadtbildes. "Wir sind am Ende unserer Kraft", hatte im September 1958 Hülshoffs Vorgänger im Amt des Stadtdirektors, Peter Schrievers, bekannt.

Bereits 1963 gründete Klaus Hülshoff einen Sanierungsbeirat, in den der gewiefte Taktiker einen zuständigen Ministerialrat des Bundesinnenministeriums aufnahm. Hülshoff lud ihn recht oft ein, sich die Ergebnisse vor Ort anzusehen - wodurch viel Geld von Bonn nach Kempen floss. Bald nannten die Bürger ihren Verwaltungschef "den Mann, der die Millionen locker macht und jeden Handschlag mit einem Minister in einen Zuschuss für Kempen verwandelt".

Umgerechnet mehr als 110 Millionen Euro von Stadt, Land und Bund und privaten Investoren flossen in das Projekt "Kempen zum Wohlfühlen". Und als er am 20. Februar 1990 in den Ruhestand ging, verlieh Bürgermeister Karl-Heinz Hermans dem scheidenden Stadtdirektor die Ehrenbürgerwürde. Hermans später: "Er war der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort." Klaus Hülshoff verstarb am 8. März 2015.

Ende 1965 beauftragte die Stadt die jungen Essener Planer Peter und Marlene Zlonicky damit, den maroden, für modernen Verkehr ungeeigneten mittelalterlichen Rundling zukunftssicher zu machen. Am 27. Juni 1968 beschloss der Stadtrat einstimmig, auf der Basis des Zlonicky-Gutachtens Bebauungspläne aufzustellen. Es war der Startschuss zur Sanierung. Indes: Das Projekt entwickelte eine Eigendynamik, die die Planung der Zlonickys in Teilen entscheidend änderte. So seien die beiden Stichstraßen Orsay- und Wambrechies- bzw. Heiliggeiststraße mit ihrem Parksystem, hat Zlonicky später zugegeben, ein Eingriff gewesen, "der über das, was wir ursprünglich vorhatten, weit hinausging".

An die 60 denkmalwerte Gebäude hat man damals weggebaggert wie das "Hotel Kellersohn" an der Ecke Studentenacker/Peterstraße aus dem 17. Jahrhundert. Oder wie zahlreiche Häuser im heutigen Grüngürtelbereich: die wilhelminische Post am Spülwall (1978); die stattliche Zeile der Jugendstilhäuser am Moorenring (1980); die neubarocke Villa Herfeldt an der Rabenstraße Ecke Donkwall (1981).

Insgesamt aber ist die Kempener Altstadtsanierung eine Erfolgsgeschichte. Mehrfach mit Preisen ausgezeichnet, galt sie als Modellfall und ist Städten wie Remscheid, Bamberg und Münster zum Vorbild geworden. Den Menschen, die hier wohnen, gibt sie ein positives Lebensgefühl. Drei Tage lang, vom 21. bis zum 23. Mai 1982, feierten die Kempener das Jahrhundertwerk.

(RP)
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