Veränderte Ausbildungslage "Ausbildungsmarkt ändert sich dramatisch"

Das deutsche Bildungssystem exportiert weltweit sein Erfolgsmodell der dualen Berufsausbildung - doch zuhause liegt einiges im Argen.

 DIHK-Präsident Dr. Eric Schweitzer sieht den wirtschaftlichen Erfolg und Wohlstand hierzulande durch die veränderte Ausbildungslage bedroht.

DIHK-Präsident Dr. Eric Schweitzer sieht den wirtschaftlichen Erfolg und Wohlstand hierzulande durch die veränderte Ausbildungslage bedroht.

Foto: DIHK e.V.

"Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt hat sich dramatisch verändert", mahnt Dr. Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). "Inzwischen gehen immer mehr Betriebe im Wettbewerb um die Azubis leer aus. Hier macht sich die demografische Entwicklung ebenso bemerkbar wie der verstärkte Trend zum Studium."

Die Balance zwischen gut ausgebildeten Akademikern und hervorragenden Fachkräften gerate aus dem Gleichgewicht und gefährde damit die wirtschaftliche Stärke und Innovationskraft Deutschlands, warnt der DIHK-Repräsentant.

Dabei ist Deutschlands duales Berufsausbildungssystem, also das parallele Lernen in einem Betrieb und einer Berufsschule beziehungsweise das Studium an einer Berufsakademie mit praxisbezogenem Schwerpunkt, weltweit ein Exportschlager. Deutsche Politiker, Bildungsverantwortliche und Unternehmen bewerben fleißig das Konzept im Ausland und vereinbaren Kooperationen mit anderen Ländern.

So lassen sich junge Leute aus anderen EU-Staaten in Deutschland zum Beispiel beim Weltkonzern Siemens ausbilden, um ihre Erfahrungen in die Heimatländer zu tragen. Außerdem kopieren Projekte und Regionen etwa in Spanien, den USA oder Indien das Doppel aus Betriebspraxis und angewandter Berufsschultheorie.

Während vielzitierte deutsche Tugenden wie Fleiß, Gründlichkeit und Wertarbeit im Ausland das Fundament für wirtschaftliche Stabilität legen sollen, knirscht es zuhause im Gebälk.

Während Eric Schweizer "zukunftsfeste Berufsschulen" fordert, beklagt Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer, dass die staatliche Berufsschule "oft als Stiefkind der Schulpolitik" behandelt werde. Allgemein werden die mangelnde und veraltete Ausstattung, knappe Mittel, fehlende Qualitätskontrollen und der Lehrmangel vor allem in den technischen-naturwissenschaftlichen Fächern kritisiert.

Dabei fehlt es den Unternehmen auch an Bewerbern, die sie überhaupt auf die Berufsschulen schicken können. Neben den geburtenschwachen Jahrgängen und dem Trend zum Studium haben die Betriebe auch mit einem sinkenden Niveau ihrer Bewerber in allen Belangen zu kämpfen. Heute bildet nur noch jeder fünfte Betrieb aus - vor zwanzig Jahren war es noch jedes vierte Unternehmen. Als Lösungsweg bietet sich das immer beliebtere duale Studium an, dem auch ein großes Potenzial für die Auslandsexpansion nachgesagt wird.

Eine andere Alternative schlägt der Direktor des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Prof. Dr. Michael Hüther, vor. Nach seiner Meinung soll die Politik auf bessere Qualität und individuellere Förderung setzen anstatt im Zuge sinkender Schülerzahlen Geld aus den Berufsschulen zu ziehen. Wenngleich die Verantwortlichen bereits die scheinbar letzten Reserven aktivieren und Müttern, Migranten, Bildungsschwachen oder Ungelernten neue Chancen durch koordinierte Maßnahmen geben, fordert Hüther reizvollere Angebote.

Das können Deutschunterricht und Nachhilfe sein, aber auch Zusatzqualifikationen, Auslandsaufenthalte und der parallele Erwerb der Hochschulreife. Darüber hinaus müssten auch die Qualitätsstandards bei Berufsschulen bundesweit angepasst und kontrolliert sowie weniger Schüler in beruflich vorbereitenden Maßnahmen geparkt werden.

Dass es dringend an der Zeit für grundlegende Reformen ist, zeigt schon die bereits zum Jahreswechsel geschmiedete "Allianz für Aus- und Weiterbildung". Die Verhandlungsführer von Bundesregierung, Wirtschaft, Gewerkschaften und Bundesländern wollen gemeinsam die duale Ausbildung stärken und für die Gleichwertigkeit der betrieblichen und akademischen Ausbildung werben.

Weiter heißt es: "Jedem ausbildungsinteressierten Menschen soll ein Pfad aufgezeigt werden, der ihn früh zu einem Berufsabschluss führen kann. Die betriebliche Ausbildung hat dabei klaren Vorrang." Es sollen konkret mehr Praktikums- und Ausbildungsplätze, feste Ausbildungsangebote sowie der Einstieg in die assistierte Ausbildung und neu gestaltete Übergangsmöglichkeiten zwischen Schule und Beruf folgen.

(RP)
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