Allgemeinwissen von Azubis Azubis: Rechtschreibung oft mangelhaft

Einen Brief fehlerfrei bewältigen, Prozentwerte ohne Taschenrechner ermitteln - das fällt einer wachsenden Zahl von Lehrstellenbewerbern schwer. Das RP-Projekt "News to Use" fördert Lesekompetenz und Allgemeinwissen von Azubis.

Manche Abiturienten wissen vielleicht einiges über die Proteinbiosynthese oder die Weimarer Republik zu referieren, mit Zeichensetzung und Rechtschreibung tun sie sich aber schwer. Das stellen auch Ausbilder in Unternehmen immer häufiger fest.

Manche Abiturienten wissen vielleicht einiges über die Proteinbiosynthese oder die Weimarer Republik zu referieren, mit Zeichensetzung und Rechtschreibung tun sie sich aber schwer. Das stellen auch Ausbilder in Unternehmen immer häufiger fest.

Foto: Dominik Buschardt/dpa

Statistisch gesehen ist die Welt in Ordnung. Nahezu drei Viertel aller Ausbildungsplatzbewerber in Nordrhein-Westfalen haben einen mittleren oder höheren Bildungsabschluss, sagt die Arbeitsagentur NRW. Das klingt gut, täuscht aber über ein Problem hinweg, das Mathias Neubert und Christiane Groth bei einer wachsenden Zahl von Bewerbern bei der Stadtsparkasse Düsseldorf beobachten.

Weder Mittlere Reife noch Abitur befähigen viele Kandidaten, einen Brieftext ohne Rechtschreibfehler zu verfassen oder Prozentanteile ohne die Hilfe eines Taschenrechners zu ermitteln. "Mein Eindruck ist, es wird von Jahr zu Jahr schlimmer", sagt Groth. Eine Ursache sieht sie im verkürzten Weg zum Abitur: "Durch G8 sind Lehrpläne noch mehr komprimiert. Das geht noch mehr zu Lasten der elementaren Dinge."

Die Rechtschreibleistungen mancher Bewerber erinnern Mathias Neubert inzwischen eher an eine hastig hingeschriebene WhatsApp-Nachricht für den Freundeskreis als an einen Geschäftsbrief: "Großschreibung, Kleinschreibung, Satzzeichen - das lässt immer mehr zu wünschen übrig." Kollegin Groth greift zu einem Vergleich: "Satzzeichen werden manchmal wie mit dem Salzstreuer verteilt."

Auch am sicheren Umgang mit den Grundregeln der Mathematik hapert es selbst bei Bewerbern, die eine Karriere bei der Bank anstreben. "Ein Prozent von 1000 anzugeben, ohne einen Taschenrechner zu benutzen, bereitet manchen Schwierigkeiten", berichtet Neubert.

Ein Mitarbeiter, der im Beratungsgespräch mit einem Kunden ohne elektronischen Rechenknecht aufgeschmissen wäre - eine peinliche Vorstellung für den Sparkassen-Ausbilder. "Da würde sich der Kunde natürlich fragen, ob er bei dieser Bank richtig ist."

Mathias Neubert und Christiane Groth machen allerdings nicht die Lehrstellenbewerber für solche Defizite verantwortlich - zumindest nicht alleine. "In der Oberstufe wird auf Rechtschreibung und Zeichensetzung nicht mehr so viel Wert gelegt. Die Lehrer korrigieren Fehler oft nicht mehr. Und ab einer bestimmten Klassenstufe wird in den Schulen heute fast nur noch mit Taschenrechnern gearbeitet. Da kann man den Schülern keinen Vorwurf machen", findet Groth.

Was Not tue, darin stimmen nach Ansicht der Ausbilderin viele Kollegen auch in anderen Unternehmen überein: "Die Politik muss in den Schulen etwas ändern. Unternehmen können solche Defizite nicht ausgleichen. Wir haben so viele Themen in der Ausbildung zu vermitteln, wir können darin nicht auch noch Basiswissen erarbeiten."

Zumal sich manches Unternehmen zudem mit Bildungsaufgaben konfrontiert sieht, die einst mit dem Begriff "Erziehung" beschrieben wurden. Neuzugänge der Stadtsparkasse Düsseldorf absolvieren in den ersten Wochen einen "Business-Knigge": Wann kann man duzen, wann ist "Sie" angebracht? Wie kleidet man sich am Arbeitsplatz? Welche Spielregeln gelten im Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten?

"Für Schulabgänger ist die Arbeitswelt häufig eine fremde Welt. Die gucken uns oft mit großen Augen an", sagt Neubert. Erstaunen erzeugen nicht nur ungewohnte Kleiderordnungen und Umgangsformen. Die gesamte Lebensform "berufstätig" ist zu erlernen. "Die Jugendlichen müssen sich zum Beispiel daran gewöhnen, dass ein Termin um drei Uhr bedeutet: Um drei Uhr da sein und nicht erst um fünf nach drei", sagt Neubert.

Der Übergang von der Schule in die Berufswelt fällt umso schwerer, je früher er erfolgt. Auch hier macht sich der kürzere Weg zum Abitur bemerkbar. "Früher war zumindest bei den männlichen Bewerbern durch Zivildienst oder Bundeswehr schon einiges eingeschliffen", sagt Groth.

"Die Kurve zu einem Acht-Stunden-Arbeitstag kriegen, bei dem man immer konzentriert bei der Sache sein muss", damit tun sich nach Ansicht des Düsseldorfer Kreishandwerksmeister Thomas Dopheide auch viele Schulabgänger schwer.

Dabei könnten sie in etlichen Handwerksberufen mit der nötigen Motivation und Leistungsbereitschaft einige Defizite wettmachen, die ihnen Zeugnisnoten womöglich bescheinigen. "Würden wir im Handwerk nur nach Deutsch und Mathematik gucken", sagt Dopheide, "könnten wir zwei Drittel aller Bewerbungen vergessen".

(RP)
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