Online China im digitalen Kaufrausch

Der Online-Handel boomt in der Volksrepublik, doch deutsche Unter nehmen profitieren davon kaum. Das könnte sich bald ändern. Oliver Samwer, Chef von Rocket Internet, hat sich selbst mal als den aggressivsten Mann des Internets bezeichnet. Doch es gibt Situationen, in denen selbst er seinen Meister findet. Im März musste sich das von Rocket massiv geförderte Start-up Delivery Hero aus dem chinesischen Markt zurückziehen.

Jack Ma, Gründer und Chef von Alibaba, berichtet überneue Verkaufsrekorde seiner Internet-Plattform

Jack Ma, Gründer und Chef von Alibaba, berichtet überneue Verkaufsrekorde seiner Internet-Plattform

Foto: dpa

Der Online-Handel boomt in der Volksrepublik, doch deutsche Unter nehmen profitieren davon kaum. Das könnte sich bald ändern.

Oliver Samwer, Chef von Rocket Internet, hat sich selbst mal als den aggressivsten Mann des Internets bezeichnet. Doch es gibt Situationen, in denen selbst er seinen Meister findet. Im März musste sich das von Rocket massiv geförderte Start-up Delivery Hero aus dem chinesischen Markt zurückziehen.

Der Wettbewerb sei zu aggressiv gewesen, argumentiert Delivery-Hero-Chef Niklas Östberg damals. Investor Samwer spielte der Rückzug nicht in die Karten. Er will den Essens-Lieferdienst so schnell wie möglich an die Börse bringen, da helfen solche Nachrichten nicht. Doch das Beispiel Delivery Hero zeigt, wie hart umkämpft der Markt in China ist, denn alle wissen, welches Potenzial hier schlummert.

Allein schon, weil mehr als eine Milliarde Menschen (und damit Konsumenten) hier leben, von denen immer mehr ihre Einkäufe über das Internet abwickeln — und sei es nur die Bestellung von Essen. Dominiert wird das Angebot vom chinesischen Internet- Riesen Alibaba, der mit mehr als einer Milliarde Dollar den Lieferservice Eleme gefüttert hat, gleichzeitig aber auch praktisch jedes andere Produkt über seine Kanäle verkauft.

Auch Chinas Google-Pendant Baidu beschränkt sich längst nicht mehr nur auf das Beantworten von Suchanfragen, sondern investiert in den Online-Handel. Mit Baidu Waimai baut das Unternehmen ebenfalls einen eigenen Lieferdienst auf. Trotz des zuletzt stotternden Wirtschaftswachstums ist China zum größten Online- Shoppingland der Welt geworden.

Bis 2018, so prognostiziert die Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) in einer Studie, werde China die USA als größten Einzelhandelsmarkt ablösen. Der Boom beim Online-Handel erklärt sich aus Sicht der PwC-Experten auch durch die Smartphone- Affi nität der Chinesen. Chinesische Kunden seien sehr viel aufgeschlossener gegenüber mobilen Bezahlsystemen. In diesem Jahr dürften laut PwC-Prognose 20 bis 30 Prozent aller Online-Transaktionen auf diesem Weg abgewickelt werden, in Deutschland sind Bezahlverfahren per Smartphone hingegen immer noch ein Nischenthema.

Ein weiterer Grund dürften die vielen Millionen-Städte sein, die es in China gibt: Dicht besiedelte Gebiete eignen sich besonders gut für den Online-Handel, weil die Lieferwege kurz sind. Auch die chinesische Regierung fördert den Online- Handel, im Grunde das gesamte Geschäft mit Dienstleistungen, dessen Wachstum die Schwierigkeiten in anderen Wirtschaftssegmenten ausgleichen soll. Bis 2020 soll der Online-Handel Wachstumstreiber werden. Helfen soll dabei schnelles Internet, das die Regierung momentan auch auf dem Land ausbaut, um weitere Teile der Bevölkerung ans Breitband-Netz anzubinden.

Ausländische Händler spielten im Online-Geschäft bislang kaum eine Rolle. Gründe waren hohe Zölle, aber zum Beispiel auch Probleme mit Plagiaten. Der Markt wird daher von großen chinesischen Anbietern dominiert. Marktführer ist Alibaba, Nummer zwei der Anbieter JD.com. Doch langfristig dürfte das gewaltige Marktpotenzial auch andere Händler locken — die Chancen sind gewaltig.

So hat das Online-Kaufhaus Alibaba im vergangenen Jahr allein am sogenannten Single Day Waren im Wert von 13 Milliarden Euro verkauft - Weltrekord. Der 11. November wurde einst von chinesischen Studenten zum Geschenketag für einsame Kommilitonen ohne Partner erklärt, inzwischen liefern sich die Händler an diesem Tag alljährlich eine gewaltige Rabattschlacht um die Gunst der Kunden.

Bei Alibaba rechnet man auch mit einer steigenden Nachfrage nach deutschen Produkten in China. Zielgruppe sei die wachsende chinesische Mittelschicht, sagte zuletzt der Deutschland- Chef des chinesischen Unternehmens, Terry von Bibra: "Bei deutschen Produkten besteht in China eine sehr hohe Nachfrage." Alibaba will daher das Geschäft für deutsche Kunden einfacher machen. Im Mittelpunkt der Strategie stehe derzeit ein Ausbau des Angebots von deutschen Konsumgütern für chinesische Verbraucher.

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