Messenger WeChat — Chinas Über-Netzwerk

Die chinesische Antwort auf WhatsApp ist längst mehr als nur ein Messenger. Besonders für den Handel bietet die App lukrative Möglichkeiten.

Die chinesische Antwort auf WhatsApp ist längst mehr als nur ein Messenger. Besonders für den Handel bietet die App lukrative Möglichkeiten.

Der Blick auf das Wachstum sozialer Netzwerke in den letzten fünf Jahren zeigt einen eindeutigen Gewinner: Instant Messenger. Marktführer ist WhatsApp mit einer Milliarde aktiver Nutzer, gefolgt vom
Facebook M e s s e n g e r mit 900 Millionen Nutzern.

Auf Platz drei befi ndet sich dagegen eine App, die kaum a u f e i n e m Smartphone in Deutschland installiert ist: WeChat, im Jahr 2011 gestartet, hat mittlerweile mehr als 700 Millionen aktive Nutzer. In wenigen Jahren hat diese App die digitale Kommunikation in China erobert. Dabei handelt es sich nicht nur um den Klon eines erfolgreichen westlichen Vorbilds.

Die Architektur der App könnte WeChat in den nächsten Jahren zur Hauptkonkur r e n z von Facebook werden lassen. Schon heute zwingt sie Untern e h m e n , ihre digitalen Strategien an Die Zeiten, in denen es für deutsche Unternehmen ausreichte, eine deutsch-chinesische Webseite anzubieten, sind vorbei. Der Düsseldorfer Handelskonzern Metro setzt beispielsweise seit Anfang 2015 auf WeChat.

Los ging es mit 80.000 Kontakten. Mittlerweile erreicht die Metro über die App drei der vier Millionen chinesischen Kunden - Tendenz steigend. Was besonders attraktiv ist: Unternehmen wie Metro kommunizieren nicht nur über die App, sondern profi tieren auch von den E-Commerce-Möglichkeiten. WeChat-Nutzer sind es gewohnt, über die App Waren zu bestellen und direkt zu bezahlen. "Wer als Unternehmen im chinesischen Markt aktiv ist und seine Kunden ansprechen möchte, kommt um WeChat nicht herum", erklärt Felix Scherrer, Director Digital Research beim in Düsseldorf ansässigen Social-Media-Marktforscher Linkfl uence.

Während WhatsApp lediglich die private Kommunikation regelt, läuft in China über WeChat die komplette Kommunikation bis hin zu In-App- Käufen. Die E-Mail ist zum Auslaufmodell geworden. "Besonders beliebt sind Sprachnachrichten", sagt Scherrer. "Das spart die Zeit der Chinesen, weil das Tippen von kurzen Nachrichten durch das komplexe Zeichensystem Zeit benötigt." Facebook und andere sind in China kaum präsent. Bisher müsse man China als eigenes Internet-Biosystem betrachten, so Scherrer, aber das könnte sich ändern. "WeChat vereint viele Netzwerke. Das kann zur Bedrohung für die bei uns derzeit erfolgreichen sozialen Netzwerke werden, wenn die App auch außerhalb von China erfolgreich wird."

Während derzeit Trend-Apps wie Snapchat und Instagram in die Schlagzeilen geraten, weil sie sich gegenseitig kopieren, hat sich WeChat innerhalb von fünf Jahren zum Über-Netzwerk entwickelt. Die 700 Millionen WeChat-Nutzer können auf Apps wie WhatsApp, Facebook, Skype, Amazon, Yelp, Uber, Expedia oder sogar Tinder verzichten, denn ihre Funktionen sind bei WeChat schon eingebaut. Die App kann Text- und Sprachnachrichten, Videochats, Spiele, ermöglicht das Teilen von Fotos, Videos und des eigenen Standorts.

Nutzer und Händler tauschen Geld, und es gibt sogar eine Funktion für lokale Dienstleistungen. So können Nutzer Termine beim Arzt ausmachen oder die Stromrechnung bezahlen. 2015 hat WeChat eine Kooperation mit Ebay begonnen, um die Waren direkt in der App anzubieten. Für Unternehmen ist der Einsatz von WeChat also nicht nur wegen der hohen Verbreitung lukrativ.

Da von der Nachricht über die Bestellung bis hin zur Bezahlung alles aus einer Hand geregelt wird, müssen sich die Kunden nicht bei jedem Unternehmen an einen unterschiedlich aufgebauten Webshop gewöhnen. Auch Unternehmen aus anderen Ländern können auf WeChat aktiv werden. Allerdings raten Social-Media-Experten, sich professionelle Beratung zu holen. Während Angebote wie Facebook inzwischen nahezu selbsterklärend sind, gibt es bei WeChat unterschiedliche Business-Zugänge mit verschiedenen Möglichkeiten und Grenzen. Unternehmen, die hier eine kluge Wahl treff en, steht der digitale Markt in China off en.

Da für WeChat chinesische Gesetze gelten, ist das Angebot allerdings der Zensur unterworfen. Aktivisten weisen regelmäßig auf Fälle hin, in denen private Kommunikation von Behörden abgefangen wurde. So kam der Menschenrechtlers Hu Jia für drei Jahre wegen Anstiftung zur Aufruhr ins Gefängnis. Er geht davon aus, dass die Behörden Sprachnachrichten an seine Freunde abhörten.

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