MG Midget TC „Sir James“ ist so alt wie die Rheinische Post

Die Oldtimer von Gisbert Braam haben nicht nur persönliche Namen. Der Klever hegt und pflegt, weil sie ein Stück seiner persönlichen automobilen Geschichte sind. Die Gefährte haben viel zu erzählen.

 Gisbert Braam gönnte sich zu seinem 70. Geburtstag den MG Midget TC.

Gisbert Braam gönnte sich zu seinem 70. Geburtstag den MG Midget TC.

Foto: Klaus-Dieter Stade

Mrs. F. Ladbrook war 23 Jahre jung, als ihre Eltern ein flottes Cabrio für sie kauften und exakt 544 Pounds, vier Shilling und elf Pence auf den Tisch legten. Die hübsche junge Frau, die sich später gerne vor dem Wagen mit den elegant geschwungenen Kotflügeln und dem sportlichen Aussehen ablichten ließ, wuchs offensichtlich in einer betuchten Familie auf. Denn es war exakt der 1. November 1946, als die Autofirma Rice Brothers eine Rechnung ausstellte für den MG Midget TC, der am 30. November zugelassen wurde.

Es ist ein Wagen, der seine Geschichte erzählen kann, denn die gesamt Historie von Kauf über Besitzer bis zur Restaurierung und Wartung ist fein säuberlich dokumentiert. Gisbert Braam blättert gerne im Ordner, in dem die Unterlagen sorgfältig verwahrt sind. Der Klever verbindet seine persönliche Geschichte mit dem flotten Flitzer mit der Garantie, hartgefedert und offen fahren zu können und gleichzeitig überall Aufsehen zu erregen.

Deshalb hat der flotte Engländer auch einen persönlichen Namen: "Sir James". Denn Gisbert Braam hatte selbst in jungen Jahren einen MG vom sehr ähnlichen Typ TF. So ein Auto wollte er wieder haben. Lange hat er nach dem restaurierten Schätzchen gesucht. Vor vier Jahren wurde er in den Niederlanden fündig. Der Vorbesitzer, ein Möbelhändler, verkaufte ihm das bestens erhaltene Vehikel, weil es ihm zu eng geworden war. Nun besitzt er einen Oldtimer, der genauso so alt wie die Rheinische Post, die in diesem Jahr 70-jähriges Bestehen feiert.

Gisbert Braam ist in Kleve bekannt wie ein bunter Hund. Er stammt aus alter klevischer Familie, ist dem Karneval verbunden, war Flieger, restauriert gerne Modellschiffe und tummelt sich auf Oldtimer- Ausfahrten. Zuletzt in Baden-Baden hat die Dekra seinen MG im klassischen British Green für einen Werbefilm abgelichtet. Der Betreiber des Alten- und Pflegeheims St. Georg hatte schon immer Spaß an besonderen Autos. Er erwarb früh den englischen Sportwagen mit den Speichenrädern und dem Armaturenbrett mit poliertem Wurzelholz. 1966 war es, als er den MG, sein Traumauto bis heute, für 2000 D-Mark in Köln gekauft hat — "von einem Freudenmädchen".

Er war ein hartgesottener Fahrer, der nicht einmal im Winter das Verdeck schloss. "Ich hatte oft meinen 40-Dollar-Hut aus Wildleder aus New York auf. Dazu trug ich eine Pelzjacke. In solch einem Auto wird es doch nicht kalt, man muss es einfach offen fahren", sagt er schmunzelnd. Aus familiären Gründen verkaufte er den Sportwagen später wieder.

Seine persönliche automobile Geschichte begann der 74-Jährige mit 18 Jahren, und auch den Kreis hat er heute geschlossen. Geboren in Frankreich, kaufte er sich einen Citroën Trèfle, mit dem er durch das Nachbarland kurvte. Am liebsten hätte er den Dreisitzer, der mit einer Handkurbel gestartet werden musste und — sehr gewöhnungsbedürftig — das Gaspedal in der Mitte zwischen Brems- und Kupplungspedal hat, mit nach Deutschland genommen. Aber sein Vater bremste den autoverrückten Sohn.

Gisbert Braam öffnet die Abdeckung des offenen Citroëns, Baujahr 1924, und erklärt begeistert das Innenleben des Franzosen namens "Antoine de Kleve". Dazu gehört auch die Entriegelung, die den Stromkreislauf der Batterie schließt, um den Motor starten zu können. Oder das kleine Kläppchen neben dem dritten Sitz, hinter dem ein kleiner Stauraum untergebracht ist. Hier steckt neuzeitliche Zusatzausrüstung — ein Fünf-Liter-Behälter mit Benzin.

"Kann sein, dass man Sprit unterwegs benötigt. Das Auto hat keine Benzinanzeige", sagt Gisbert Braam. Ohnehin ist das Citroën-Modell, der als erstes europäisches Auto in Großserie gebaut wurde und auf 55.000 Exemplare kam, mit seinen 50 km/h Höchstgeschwindigkeit heute nur bedingt straßentauglich. Höchstens 2000 Modelle wurden über die Jahrzehnte gerettet, in Kleve steht eine dieser Raritäten. Gisbert Braam ist nicht nur handwerklich begabt, ihn juckt es auch stets in den Fingern, sein Geschick auszuprobieren. So hat er den französischen Oldtimer selbst restauriert und sich lange um Einzelteile bemüht.

Hilfreich ist ihm dabei der Besitzer der Klever Turmgarage, der einst beim gelernten Hotelgastronom und Koch Braam ausgebildet wurde und dann zum Profi- Schrauber umgesattelt hat. "Ohne ihn würde ich manche Feinheiten nicht umsetzen können und hätte manche Tipps nicht bekommen. Zum Beispiel, dass beim Radwechsel die Radmuttern des Citroëns vorne in die andere Richtung zu drehen sind als hinten. Muss man wissen, kann man nicht ahnen", sagt der 74-jährige Braam.

Da ist es einfacher, mit dem elegant daherkommenden und vom froschgrünen Sitzleder bis zur winzigen Rennwindschutzscheibe top aussehenden englischen Sportflitzer umzugehen, den sich der Klever mit 70 Jahren selbst geschenkt hat. "In Großbritannien gibt es noch genug Ersatzteile. Dort existiert sogar eine richtige Rennszene für MG-Wagen", erzählt er.

Gisbert Braam klemmt sich demonstrativ hinter das Lenkrad, nachdem der großgewachsene Mann die eigens für sich selbst entwickelte Einstiegstechnik ins enge Cockpit vorgeführt hat. "Für mich ist dieser Typ der MG schlechthin. Hören Sie mal den Sound!", sagt er und startet den sofort kraftvoll drehenden Motor mit einem solch kernigen Klang, als wolle der Wagen wie ein Tiger auf dem Sprung lospreschen. Sanft streichelt Gisbert Braam über das hölzerne Armaturenbrett. "Man muss es von Zeit zu Zeit mit Politur pflegen. Liebe zum Auto und zum Hobby gehört schon dazu."

Klar, an einem solchen Prunkstück ist immer etwas zu tun, und der Klever vervollkommnet sein Stück automobile Lebensgeschichte immer mal wieder mit besonderen Teilen. Bereit zur Montage liegt zurzeit ein Gitterschutz für die kreisrunden Lampenaugen, die stilbildend auf die Kotflügel montiert sind. Dann drückt Gisbert Braam auf einen Knopf am Lenkrad. Schrill und bellend scharf erklingt die Hupe. Extra für die RP, sozusagen als Geburtstagsgruß unter Gleichaltrigen.

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