Interview mit Eckart von Hirschhausen „Jeder Mensch ist ein Wunderheiler“

Eckart von Hirschhausen kommt mit seinem neuen Programm "Wunderheiler" am 22. Mai nach Düsseldorf. Im Interview spricht er über Scharlatane, Selbstheilungskräfte und Magie.

Interview mit Eckart von Hirschhausen: „Jeder Mensch ist ein Wunderheiler“
Foto: Frank Eidel

Haben Sie selbst schon mal Bachblüten genommen? Oder eine Klangschalen-Therapie gemacht?

VON HIRSCHHAUSEN: Nein, aber bei mir wollte schon einmal ein Orthopäde eine Diagnose über einem Blutstropfen von mir auspendeln und ich war in Brasilien schon einmal bei einem Kräutermann, der mir für meinen verrenkten Knöchel einen Umschlag aus allen möglichen Pflanzen gemacht hat, die bei ihm im Garten wachsen. Kurz — ich erzähle viel von meiner eigenen Reise durch Arztpraxen, Krankenhäuser und die Wunderwelt der alternativen Medizin von China bis Mecklenburg- Vorpommern.

Sind Sie schon mal einem Wunderheiler begegnet?

VON HIRSCHHAUSEN: Jeden Tag! Denn jeder Mensch ist ein wahrer Wunderheiler, denn in jedem Menschen stecken unglaubliche Selbstheilungskräfte. Dummerweise können wir uns aber mit der gleichen Kraft, wenn wir sie gegen uns wenden, auch krank machen. Darum geht es auch in meinem Programm: Warum glauben wir so gerne völligen Unsinn, und wann sind positive Illusionen hilfreich?

Wie kann ich denn einen Scharlatan von einem "echten" Heiler unterscheiden?

VON HIRSCHHAUSEN: Typisch für Scharlatane ist ihre Selbstüberschätzung und die Abwertung von allen anderen Heilmethoden. Vorsicht bei Anbietern, die unrealistische Versprechungen machen, zum Beispiel Krebs, MS oder Aids zu heilen oder die eine Kooperation mit Medizinern ablehnen. Seriöse Anbieter akzeptieren die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Nachweislich unsinnig sind Irisdiagnostik, Kinesiologie, Pendeln oder Bioresonanz. Auch das "geistige Heilen" hat Risiken und Nebenwirkungen, wie psychische Abhängigkeit oder das Unterlassen einer wirksamen Behandlung.

Ist die Schulmedizin denn immer besser als ihre Alternativen?

VON HIRSCHHAUSEN: Noch nie habe ich gehört, dass es eine "Alternativmathematik" gäbe. Oder "Komplementär-Maschinenbau". Warum akzeptieren wir so selbstverständlich, dass es zur Medizin eine "Alternativmedizin" mit eigenen Gesetzen geben soll? Wohl, weil wir eben nicht berechenbar oder rein mechanisch sind, und erst recht nicht so betrachtet werden wollen. Einerseits wünschen wir uns einen, der sich mit allem auskennt. Wenn es jedoch ernst wird, soll plötzlich der Ober-Spezialist ran.

Die Spaltung der Medizinwelten spiegelt die Spaltung in uns. Wir haben Sehnsüchte und spirituelle Bedürfnisse und gleichzeitig gefühlt Anspruch auf perfekte Reparatur mit Garantieverlängerung auf 100 Jahre. In jedem Interview werde ich gefragt, wie ich auf die verrückte Idee kam, aus der Medizin in den Unterhaltungsbereich zu wechseln. Meine Gegenfrage lautet: Wer sagt, dass es sich um zwei verschiedene Bereiche handelt? Was jeder Arzt von den Homöopathen lernen kann: Zeit nehmen, zuhören, Fragen stellen, Rituale verordnen und abwarten. Und dem Patient mit etwas Unschädlichem die Zeit vertreiben, die der Körper braucht, um sich selbst zu helfen.

Warum wirken eigentlich auch Placebos?

VON HIRSCHHAUSEN: Das Entscheidende an Placebos ist gar nicht einmal die Täuschung, sondern das Ritual dahinter. So gab man in einer aktuellen Studie Patienten mit Reizdarm Placebos und sagte ihnen sogar, dass es Placebos sind! Aber die Tatsache, dass sie etwas zu tun hatten, sich dreimal am Tag symbolisch etwas Gutes taten, bewirkte bei 40 Prozent eine Verbesserung der Beschwerden. Das alleine ist doch toll!

Wie kam es, dass Sie dem Thema "Wunderheiler" ein Programm widmen?

VON HIRSCHHAUSEN: "Wunderheiler" ist mein persönlichstes Programm, gewissermaßen die Quintessenz meines Schaffens. Die Fans, die mich noch von ganz früher kennen, wissen, dass ich mit Zauberei meine erste Bühnenerfahrung machte. Es hat mich von Klein auf fasziniert, wie leicht wir uns täuschen lassen. Und so erzähle ich in meinem Programm, wie ich schon als Kind mit einem Pendel meine Tanten beeindruckt habe, und wie ich dadurch schon immer einen speziellen Blick auf "Hokuspokus" in der Medizin hatte.

Wie entsteht ein Programm eigentlich? Schreiben Sie das an einem Wochenende runter? Oder sammeln Sie über Monate Ideen?

VON HIRSCHHAUSEN: Ich recherchiere oft jahrelang für meine Programme, denn in jeder Geschichte steckt ein Stück Wissenschaft. Ausgangspunkt sind oft Studien, die verblüffen, weil sie unsere Überzeugungen unterlaufen. Ich habe Zugang zu aktueller Forschung und einen hervorragenden Wissenschaftsjournalisten, der mich über neue Bücher und Gebiete auf dem Laufenden hält. Alleine könnte ich das gar nicht bewältigen. Meine eigene Leistung ist es dann, komplexe Dinge verständlich zu machen, alltagstauglich — und vor allem, das Menschliche darin zu erkennen und auf die Bühne zu bringen.

Wie verbinden Sie in diesem Programm Medizin mit Magie - erwarten die Zuschauer etwa Special Effects und Verschwinde- Zauber?

VON HIRSCHHAUSEN: In der Tat werde ich bei meinem Auftritt in Düsseldorf auch gezielt ein paar Zaubertricks zeigen und erklären, wie und warum unser Verstand sich täuschen lässt. Gleichzeitig zeige ich aber auch vieles, was die Zuschauer hoffentlich wirklich verblüfft: Mein Pianist fängt an zu schweben, ich sage einer wildfremden Frau an welchem Tag sie geboren ist, und ein Zuschauer wird auf offener Bühne am Blinddarm operiert — was sehr viel lustiger ist, wenn man dabei ist, als es sich jetzt in einem Interview liest. Wer es nicht mit eigenen Augen gesehen hat — mit welchen dann? Also kommen Sie!

(RP)
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