Verband Auf der Suche nach einem besseren Image

Sie bewegt das Land, aber kaum jemand weiß, was die Logistik-Unternehmen an Rhein und Ruhr tatsächlich leisten. Ein Besuch beim Verband Spedition und Logistik in Düsseldorf zeigt auf, wie vielfältig die Herausforderungen der Branche sind.

 Immer mehr Logistik-Verkehr verlagert sich auf die Straße, sie ist der Gewinner der letzten 25 Jahre. Gleichzeitig wachsen aber die Probleme mit der Infrastruktur.

Immer mehr Logistik-Verkehr verlagert sich auf die Straße, sie ist der Gewinner der letzten 25 Jahre. Gleichzeitig wachsen aber die Probleme mit der Infrastruktur.

Foto: thinkstock/christian lagereek/vsl nrw/ingo heuer

Der Auftritt nach außen ist bescheiden und zweckmäßig: In einem unscheinbaren Bürogebäude mitten im Düsseldorfer Stadtteil Flingern unterhält der Verband Spedition und Logistik Nordrhein-Westfalen (VSL NRW) auf mehreren Etage seine Zentrale.

Hier ist das Reich von Dr. Rüdiger Ostrowski, ein Mann, wie ihn sich jeder Verband wünscht: Seit 18 Jahren steht er als Geschäftsführer und später als Vorstand an der Spitze des Logistik-Verbandes, ist sehr umtriebig und lebt mit Herz und Seele für seinen Verband. "Schon als Siebenjähriger wollte ich Lkw-Fahrer werden", gesteht er uns beim Redaktionsbesuch.

Für den Verbandsgeschäftsführer, der Diplom-Pädagogik und Volkswirtschaft studierte, ist das kein Lippenbekenntnis - er hat tatsächlich einen Lkw-Führerschein. "Ich bin leidenschaftlicher Lkw-Fahrer und fahre auch schon mal selbst einen 40-Tonner für einen Hilfstransport nach Rumänien", sagt er mit einem verschmitzten Lächeln. So viel Nähe zu den Menschen an der Basis helfe mitunter bei der Beurteilung von Sachverhalten.

Nötig hat er so viel Bodenhaftung schon lange nicht mehr, denn die Situation bei den rund 500 Mitgliedsbetrieben im bevölkerungsreichsten Bundesland kennt Ostrowski bis ins Detail. "Die Branche braucht ein besseres Image", bedauert er das falsche Bild, das es von den Speditionen in breiten Bevölkerungsschichten gibt. "Und Logistik braucht mehr Geld, damit die Gesellschaft auch in Zukunft verlässlich mit Waren versorgt werden kann."

Für seine Verbandsmitglieder muss sich Dr. Rüdiger Ostrowski gemeinsam mit seinen Mitstreitern im Vorstand auch schon mal mit der Politik "reiben". "Uns liegt sehr daran, der Politik, vor allem in NRW, zu verdeutlichen, was unsere Branche eigentlich leistet."

Das ist kein einfaches Unterfangen, denn bei publikumswirksamen Problemen wie etwa dem Fahrverbot für Lkw auf der Leverkusener Autobahnbrücke oder den Folgen des Bahnstreiks nimmt der Verbandsgeschäftsführer kein Blatt vor den Mund. "Es ist zum Beispiel ein falscher Eindruck, dass die Spediteure von den Bahnstreiks profitieren", argumentiert er. "Im Gegenteil: Unsere 40 Eisenbahn-Spediteure leiden stark unter den Folgen solcher Streiks. Die Bahn ist ein wichtiger Partner unserer Branche."

Der Logistik-Verband setzt daher auf intensiven Dialog und schätzt deshalb auch die regelmäßigen Gespräche mit dem Landesverkehrsminister. Welche Themen werden dort angesprochen? "Uns beschäftigen zum Beispiel die Rückgänge bei den Binnenschifffahrts-Speditionen. Wir wissen nicht, warum dieses Verkehrsmittel nicht stärker in Anspruch genommen wird: Es ist umweltfreundlich, günstig, wir haben gute Wasserstraßen in NRW - dennoch verliert die Binnenschifffahrt seit Jahren Marktanteile", bedauert Ostrowski.

Dafür verlagert sich immer mehr Verkehr auf die Straßen: "In den letzten 25 Jahren ist die Straße der klare Gewinner, die Bahn hat ihren Anteil gehalten." Die Unterschiede sind allerdings gravierend, Ostrowski macht das an einem Beispiel deutlich: "Würde man nur zehn Prozent des Lkw-Verkehrs auf die Bahn umleiten, müsste die Bahn ihr Verkehrsaufkommen im Güterverkehr um 100 Prozent erhöhen."

Gleichzeitig steigen die Probleme mit der Infrastruktur. "Der Staat hat die Infrastruktur verkommen lassen", kritisiert der VSL-Chef. "Die Politik reagiert immer nur dann, wenn ein Problem auftaucht, wie etwa bei der Leverkusener Autobahnbrücke. Wenn aber nur noch repariert wird, obwohl die Steuereinnahmen des Staates so hoch sind wie nie, bedeutet dies beim Thema Infrastruktur nur eines: Staatsversagen auf der ganzen Linie!" Er geht deshalb davon aus, dass die Transportkosten für Logistikleistungen in den nächsten Jahren steigen werden.

Was kommt davon bei den Speditionen und ihren Mitarbeitern an? Da hat sich die Welt in den letzten Jahren ebenfalls drastisch verändert. Dr. Rüdiger Ostrowski erinnert sich an die Zeit, als die Speditionsbranche noch reguliert war. "Da ging es den Spediteuren gut: Wer in das Geschäft einsteigen wollte, benötigte eine Konzession, diese vergab der Staat über die Verbände. Dadurch waren alle Speditionen im Verband organisiert, die Unternehmen verdienten zudem gutes Geld." Dann kam die Deregulierung, die alles veränderte.

"Volkswirtschaftlich war es richtig, den Markt zu öffnen, allerdings hat dieser Strukturwandel dazu geführt, dass viele Spediteure ihr Unternehmen schließen mussten." 1100 Mitglieder hatte sein Verband damals, nur ein Teil davon hat überlebt: "Ein Drittel der Betriebe musste Insolvenz anmelden, ein weiteres Drittel war durch Aufkäufe, Verkäufe und Fusionen betroffen. Die Deregulierung war für viele Speditionen schlecht, auch die Gewinnmargen sind dramatisch gefallen", konstatiert Ostrowski.

Heute habe sich die Situation stabilisiert, auch Neugründungen gehören nun zum Alltag und der Verband kann sich über einen stattlichen Organisationsgrad von 60 bis 70 Prozent freuen. Allerdings müssen Ostrowski und seine Mitstreiter ordentlich etwas auffahren, um als Verband attraktiv zu bleiben. Ein Vertriebsmitarbeiter kümmert sich etwa ausschließlich um die Werbung neuer Verbandsmitglieder, gleichzeitig unterhält der Verband mit der Dialog GmbH eine eigene Unternehmensberatung mit 60 Spezialisten. Hier wird Logistik-Know-how vermarktet.

So wurde etwa die Stadt Köln beim mobilen Hochwasserschutz von den Dialog-Profis beraten, multimediale Verkehrsprojekte wie www.binnenschiff.komm ins Leben gerufen und gemeinsam mit Universitäten geforscht. Außerdem unterhält der Verband ein Versorgungswerk und eine Logistik-Akademie, bildet Speditionskaufleute und andere Fachrichtungen aus, bietet Spezialseminare für Zoll, Umsatzsteuer, Transportrecht etc. an.

Zwischenzeitlich hat der Logistik-Verband auch eine Zeitarbeitsfirma gegründet, die in Hochzeiten 320 Angestellte hatte. Dieses Engagement wurde aber inzwischen zurückgefahren, das Geschäft lohne sich nicht mehr. Für Dr. Rüdiger Ostrowski, der zusätzlich als Hochschullehrer über Logistik doziert, bleibt die Branche damit auch für die nächsten Jahre aufregend.

(RP)
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