Grevenbroich Im Kloster treibt eine weiße Frau ihr Unwesen

Grevenbroich · Reste des Wilhelmitenklosters existieren noch heute. Die Nonne Aleidis aus Langwaden soll dort vom Teufel verfolgt worden sein.

 Wer im Bürgerbüro der Stadtverwaltung durch eine Plexiglasscheibe schaut, sieht ebenfalls Reste des Mauerwerks und Utensilien, die dort im Erdreich gefunden wurden.

Wer im Bürgerbüro der Stadtverwaltung durch eine Plexiglasscheibe schaut, sieht ebenfalls Reste des Mauerwerks und Utensilien, die dort im Erdreich gefunden wurden.

Foto: Lothar Berns

Viel kann man vom ehemaligen Wilhelmitenkloster am Marktplatz in Grevenbroich nicht mehr erkennen. Was nach zwei Weltkriegen übriggeblieben ist, sind Mauerreste im Bürgerbüro, die unter Plexiglas und einem Teppich im Eingangsbereich verborgen liegen, sowie ein Teil der nördlichen Außenmauer und der Bernardusturm am heutigen Jugendcafé Kultus. Doch eine Reihe von Sagen rund ums Kloster sind bis heute überliefert - eine davon knüpft an die Geschichte von der Nonne Aleidis an, die nach dem Selbstmord ihrer Ex-Liebe ins Kloster Langwaden einzog. Der Sage nach bekam sie Tag für Tag und Nacht für Nacht ungebetenen Besuch eines Jünglings, der auf einem Ross dahergeritten kam. Nach ihrem Tod soll sie im ehemaligen Wilhelmitenkloster ihr Unwesen getrieben haben - und zwar zur Geisterstunde.

"In der Sage ist von einer weißen, blassen, unglücklichen Frau die Rede, die verängstigt durch das Kloster zieht. Bis zum Einzug des Jugendcafés Kultus soll sie dort ihr Unwesen getrieben haben", sagt Stadtführerin Anni Bierbaum aus Wevelinghoven, die sämtliche Sagen und Mythen im Stadtgebiet kennt und diese in speziellen "Grusel-Führungen" der Öffentlichkeit präsentiert. Der Reiz daran sei das Mysteriöse, das hinter allen Geschichten stecke.

Bei der "weißen Frau" soll es sich um eine Erscheinung der toten Aleidis handeln, die die Schuld nach dem Freitod ihres Geliebten bei sich sah und ins Kloster Langwaden einzog. Sie bekam regelmäßig unheimlichen Besuch von einer Erscheinung, die ihrer Liebe stark ähnelte, sich aber schließlich als teuflische Grimasse entpuppte. Eigentlich konnte sie nach dem Rat eines klugen Pilgrims, beim nächsten Erscheinen "Heilige Jungfrau!" zu rufen, wieder in Frieden leben - "doch es könnte sein, dass ihr Schicksal sie nach ihrem Tod wieder eingeholt hat", erzählt Anni Bierbaum.

"Laut Sage wurde die weiße Frau, die manche Grevenbroicher vor Jahrhunderten sogar gesehen und gehört haben wollen, von schweren Tritten und Pferdewirren verfolgt, was sie Nacht für Nacht stark verängstigte", berichtet Bierbaum. Aleidis flüchtete, doch der Teufel scheint es nach ihrem Tod noch immer auf sie abgesehen zu haben. "Heute soll die weiße Frau nicht mehr aktiv sein. Das Kloster ist bis auf den im 18. Jahrhundert als Bestandteil der Stadtbefestigung gebauten Bernardusturm nicht mehr zugänglich. Vielleicht hat die laute Musik im Café Kultus sie endgültig verscheucht", mutmaßt Stadtführerin Anni Bierbaum.

Ob an der Sage wirklich etwas Wahres dran ist, kann heute niemand mehr mit Sicherheit sagen. Fest steht allerdings, dass es Aleidis seinerzeit tatsächlich gegeben hat. Und auch vom Wilhelmitenkloster zeugen heute noch einige Reste - wenn sie auch im Verborgenen liegen. Große Steine des Grundmauerwerks sind heute etwa im Keller des alten Rathauses zu sehen.

"Gestiftet wurde das ehemalige Wilhelmitenkloster im Jahre 1297 von Walram von Kessel. Der Klosterbetrieb lief sogar noch bis 1802, als er im Zuge der Französischen Revolution eingestellt wurde", schildert Thomas Wolff, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Stadtarchiv. Die Wilhelmiten als Orden aus Frankreich seien dort nur bis in die 1620er-Jahre ansässig gewesen. "Danach wurde das Gebäude vielfältig genutzt. Mitten im 30-jährigen Krieg 1628 zogen die ersten Zisterzienser ein, nach der Französischen Revolution nutzte ein Textilunternehmer das Gebäude", sagt Wolff. Es folgten eine Schmiede, eine Schlosserei sowie die Wollspinnerei des Industrie-Pioniers Friedrich Koch, bis dort in den 1890er-Jahren ein Krankenhaus eingerichtet wurde. "Bei Bombenangriffen 1944 wurde ein Großteil des ursprünglichen Wilhelmitenklosters zerstört und nach Kriegsende abgebrochen", erzählt Wolff.

Die Restbestandteile der nördlichen Außenmauer des Klosters wurden beim Anbau an das Alte Rathaus mit Bernardussaal in das neue Mauerwerk integriert. "Zu sehen sind heute sehr große und kleine Steine, die aus dem 13. Jahrhundert stammen müssten und nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mit abgerissen wurden", sagt der Archivar.

(RP)
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